Ein guter Mann: Roman (German Edition)
Sie in Not«, sagte der Pilot.
Müller nickte. »Danke für den Kaffee.«
Nour, dreieinhalb Stunden für Nour, dachte er.
Irgendwann schlief er wieder ein und erwachte erst, als die Piloten das türkische Antalya ansteuerten und sich das Geräusch der Triebwerke deutlich veränderte.
»Wenn Sie wollen«, sagte der Pilot von vorher, »können Sie selbstverständlich ein paar Schritte machen, aber …«
»Ich bleibe hier«, antwortete Müller. »Ist da hinten irgendetwas zu essen?«
»Ja, ein paar Snacks.«
Ihr Aufenthalt war kurz.
Die Landung in Damaskus, das Prüfen seiner Papiere als deutscher Diplomat, das mehrmalige Wechseln der schwarzen Taschen vor den Augen der Polizei und des Zolls, der Blitzstart der vier Taxis in alle Himmelsrichtungen, das alles war ein uraltes Spiel. Müller saß im Fond des Taxis, neben sich die kleine Maschine für Achmed, und er hatte keine Hoffnung, durch Nour weiterzukommen. Sie würde mauern, das musste sie ja.
Der Taxifahrer kannte sein Ziel und sagte knapp auf Englisch: »Ich warte hier.«
Wenn sie einkaufen ist, stehe ich hier rum, dachte Müller. Wenn sie bei Verwandten ist, kann ich sie nicht erreichen. Aber vorher anrufen hätte bedeutet, der Sache zu viel Bedeutung beizumessen.
Das Kindermädchen öffnete.
»Hallo«, strahlte Müller, »ist jemand zu Hause?«
Dann tauchte im Hintergrund Nour auf, und ihre Augen waren groß vor Erstaunen.
»Karl, schön, dich zu sehen. Bist du vom Himmel gefallen?«
»Kann man so sagen. Dein Mann ist nicht im Geschäft, ist er hier?«
»Mein Mann ist immer noch in Kairo«, sagte sie. »Aber das weißt du doch. Er ist noch nicht zurück.«
»Ich besuche seine Konkurrenz«, sagte er. Lieber Himmel, nun lad mich schon zu einem Kaffee ein, Frau. »Hier ist das Maschinchen, das er sich gewünscht hat.« Er hielt Nour den bunten Karton hin.
»Komm doch rein. Die Jungs sind in der Schule, ich bin endlich allein und habe mal Ruhe. Also, einen Mokka oder irgendetwas in der Art?«
»Sag mal, hast du was zu essen hier? Mein Frühstück im Hotel war fade.«
Sie lachte. »Was willst du?«
»Lammsalami«, sagte er. Das war das Einzige, was er sich vorher überlegt hatte. Etwas zu essen bedeutete, mehr Zeit zu haben.
Das Haus lag im engen Bereich der Altstadt, es war seit mehr als zwei Jahrhunderten im Besitz der Familie. Durch die Anbauten hatte man über dem zweiten Stock eine Dachterrasse anlegen können.
»Aber es geht ihm gut? Er hat angerufen?« Müller setzte sich in einen Sessel.
»Nein, hat er komischerweise nicht. Aber er hat mich vorgewarnt. Er hat gesagt, es würde schnell gehen, aber mit viel Arbeit verbunden sein.« Sie setzte sich ihm gegenüber. »Paula macht dir ein Brot mit Lammsalami. Wie gehen die Geschäfte?«
»Kein Grund zur Klage.«
Nour war eine schöne, schlanke Frau, eine moderne Damaszenerin, die Bluejeans liebte und karierte Männerhemden und sich einmal beklagt hatte, dass junge verheiratete Frauen nicht mehr in Discos gingen.
Ich kann mit einem Bluff beginnen, dachte Müller flüchtig. Mit einem doppelten Bluff. Darauf würde sie reagieren müssen.
»Hör zu«, begann er, »dein Mann macht mir Sorgen. Ich denke, es war keine gute Idee von ihm, in Breidscheids Privatmaschine nach Kairo zu fliegen. Und es war auch keine gute Idee, für Breidscheid zu arbeiten.«
Ihr Gesicht zeigte weder Erstaunen noch Erschrecken.
»Was ist gegen Breidscheid zu sagen?«, fragte sie.
»Er nutzt die Leute aus«, sagte Müller. »Und weil ich Achmeds Freund bin, sage ich das.«
»Er soll in Kairo für Breidscheid irgendein Netzwerk installieren. Ich vermute mal, Breidscheid hat da ein Büro. Er zahlt gut. Und du weißt doch, dass Achmed völlig verrückt ist, was Computer anbelangt.«
Müller hätte einwenden können, dass in Kairo tausend Leute für eine derartige Aufgabe besser gerüstet waren als Achmed, aber das hätte das Gespräch beendet.
»Na ja, vermutlich hat Onkel Hussein daran gedreht«, sagte er. »Ich will mich ja nicht einmischen.«
»Onkel Hussein hat wenig damit zu tun, das haben eigentlich Achmed und Breidscheid ausgehandelt. Hat Achmed dir nicht erzählt, wie dieses Ding zustande kam?«
»Hat er nicht«, sagte Müller.
Sie war heiter und stolz auf ihren Ehemann, sie kicherte wie ein Mädchen. »Kennst du den großen Rolls-Royce-Zusammenbruch nicht?«
»Nein«, sagte Müller.
Das Kindermädchen Paula brachte das Messingtablett mit Mokka, Brot und aufgeschnittener Salami.
»Breidscheid
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