Ein gutes Omen
ständigen Beten. So etwas konnte nicht ohne Folgen
bleiben. Leute wie Schwester Maria meinten es natürlich gut, tief in ihrem
Herzen, aber wenn man längere Zeit mit ihnen zu tun hatte …
Mr. Young
entsann sich an einen Ken Russel-Film, in dem auch Nonnen vorkamen. Nun, solche Dinge schienen hier nicht zu geschehen. Doch
wie hieß es so schön? Kein Rauch ohne Flamme …
Er seufzte
erneut.
Eine Sekunde
später erwachte Baby A und beschloß, seine Stimmbänder zu testen.
Es war schon
viele Jahre her, seit Mr. Young zum letztenmal versucht hatte, einen
schreienden Säugling zu beruhigen. In dieser Hinsicht ließ sein Geschick ohnehin
zu wünschen übrig. Er hatte Sir Winston Churchill immer große Verehrung
entgegengebracht, und daher widerstrebte es ihm, kleineren
Versionen des berühmten Politikers auf den Po zu klopfen.
»Willkommen auf
der Welt«, sagte er schlicht. »Früher oder später wirst du dich an sie
gewöhnen.«
Das Baby
klappte den Mund zu und sah Mr. Young so an, als wäre er ein unbotmäßiger
General.
Schwester Maria
wählte genau diesen Augenblick, um mit dem Tee zurückzukehren. Satanistin oder
nicht: Sie brachte sogar einen Teller Kekse mit. Normalerweise wurden solche
Leckereien serviert, wenn man Teatime-Gäste diskret darauf hinweisen wollte,
daß sie schon seit zwei Stunden am Tisch saßen und besser gehen sollten. Mr.
Young betrachtete sie mit mäßigem Interesse. Die rosarote Tönung erinnerte ihn
an Chirurgen-Handschuhe, und der Zuckerguß sah aus, als hätten sich kleine
Schneemänner in den Backofen verirrt.
»Wahrscheinlich
kennen Sie so etwas nicht«, sagte Schwester Maria Redeviel. »In Ihrer Heimat
nennt man sie Plätzchen. Wir hingegen sprechen von Bis-kuits. «
Mr. Young wollte antworten, daß er durchaus mit dem englischen
Vokabular vertraut sei und häufig Biskuits gegessen habe, wie alle anderen
Leute in Luton. Aber er kam nicht dazu, auch nur einen Ton von sich zu geben.
Eine andere Nonne eilte atemlos ins Zimmer.
Sie sah
Schwester Maria an und begriff, daß Mr. Young nie im Innern eines Pentagramms
gestanden hatte. Stumm deutete sie auf Baby A und zwinkerte.
Schwester Maria
nickte und zwinkerte ebenfalls.
Die zweite
Nonne griff nach einem der beiden Säuglinge und trug ihn fort.
Die menschliche
Kommunikation läßt für gewöhnlich einen breiten Interpretationsspielraum, was
insbesondere auf das Zwinkern zutrifft. Aus einem Zwinkern kann man viel
herauslesen. Die zweite Nonne teilte damit folgendes mit:
Wo
zur Hölle sind Sie gewesen? Baby B ist geboren, und wir müssen den Austausch
vornehmen. Aber Sie sitzen hier im falschen Zimmer bei Widersacher, Zerstörer
von Königreichen, Engel der Dunkelheit, Großes Tier-das-man-Drachen-nennt, Herr
dieser Welt, Vater aller Lügen, Satansbrut und Fürst der Finsternis – und
trinken Tee. Ist Ihnen eigentlich bekannt, daß man mich fast erschossen hätte?
Nonne Nummer Zwei glaubte, in Schwester Marias gezwinkerter Antwort
folgende Botschaft zu erkennen: Hier ist der
Widersacher, Zerstörer von Königreichen, Engel der Dunkelheit, das große
Tier-das-man-Drachen-nennt, Herr Dieser Welt, Vater aller Lügen, Satansbrut und
Fürst der Finsternis. Ich kann nicht sprechen, weil ein Außenstehender zugegen
ist.
Im Gegensatz dazu hatte Maria Redeviel das Zwinkern der anderen
Krankenschwester folgendermaßen interpretiert:
Gut
gemacht, Schwester Maria – Sie haben den Austausch ganz allein vorgenommen.
Zeigen Sie mir jetzt das andere Kind, damit ich es fortbringen und Sie Ihrem
Gespräch mit Seiner Königlichen Exzellenz der amerikanischen Kultur überlassen
kann.
Und deshalb bedeutete ihr eigenes Zwinkern:
Sie
haben völlig recht, Teuerste, es ist bereits alles erledigt. Baby B liegt dort.
Nehmen Sie es und lassen Sie mich mit Seiner Exzellenz allein. Endlich habe ich
Gelegenheit, ihn zu fragen, warum die Häuser in Amerika so hoch sind und aus
lauter Spiegeln bestehen.
Die Feinheiten dieses Nachrichtenaustauschs entgingen Mr. Young, der
recht verlegen war, weil er das Zwinkern für ein Zeichen geheimer Zuneigung
hielt und zu dem messerscharfen Schluß gelangte, daß Ken Russel genau Bescheid
gewußt hatte, als er seinen Nonnen-Film drehte.
Vielleicht wäre
die andere Satanistin auf Schwester Marias Fehler aufmerksam geworden, wenn sie
nicht durch die Anwesenheit der Geheimdienstmänner in Mrs. Dowlings Zimmer
überaus verstört gewesen wäre. Ihre Ausbildung verlangte ein gewisses
Reaktionsmuster von ihnen, wenn
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