Ein Hauch Vanille (German Edition)
Entrüstet
riss ich die Augen auf. „Na, da fragst du ja genau die Richtige!“
Wir
gingen vor die Tür und ich deutete in die ungefähre Richtung. „Irgendwo
dahinten.“
Sofort rannte Shane los und kam kurze Zeit später sogar tatsächlich mit dem
zerquetschten Portalpilz in der Hand zurück. Mit wild zerzausten Haaren, wie
die eines zerstreuten Professors, verschwand er dann eilig im Schuppen. So
schnell, dass sein weißes Kittelende hinter ihm in der Luft wirbelte. Durch die
weit geöffneten Fensterflügel hörte ich ihn aufgeregt meinen Namen rufen. Ich
ging zum Fenster, lehnte mit den Armen von außen auf der Fensterbank und verfolgte
gespannt sein emsiges Treiben im Innern. Geschäftig lief er von der einen Seite
des Labors zur anderen.
„Wir haben immer nur mit den Zauberpilzen herum experimentiert und dabei die
Portalpilze völlig außer Acht gelassen!“ Shane zerschnitt den Pilz und gab ihn
in ein Gerät, welches ihn in einer Lösung fein zerkleinerte. Homogenisiert, wie
er mir im Schnellverfahren zu erklären versuchte. Doch mir in dieser Richtung
etwas beibringen zu wollen, war wirklich vergebene Liebesmüh, wann würde er das
endlich begreifen? Ich schaltete auf Durchzug und nickte alles ab, in der
Hoffnung, von ihm keine weiteren Nachfragen zu bekommen. Wortlos erhitzte er
etwas mit dem Bunsenbrenner und stellte mit Hilfe einer Vakuum Saugflasche ein
Filtrat her, dessen Trockensubstanz er wiederum dafür verwendete, eine
Injektionslösung anzufertigen.
„Marcus soll es so schnell wie möglich Jasmin injizieren“, sagte er mit ernster
Stimme und streckte mir das kleine Röhrchen durch das geöffnete Fenster entgegen.
Bevor ich jedoch danach greifen konnte, schlug es ihm Michi aus der Hand.
Voller Entsetzen blickte ich dem Reagenzglas hinterher, das nun auf dem Boden lag.
Mir stockte der Atem. Immerhin war es heil geblieben… Ich versuchte es mit dem
Fuß zu erreichen, doch anstatt näher zu mir, rollte es jetzt noch weiter unter
den Schuppen. Da dieser auf Stelzen stand und der Zwischenraum darunter
genügend Platz bot, dass man spielend hindurch kriechen konnte, bückte ich mich
und versuchte das Röhrchen mit der Hand zu greifen. Wegen der Kindertrage auf
meinem Rücken, die breiter war als der Zwischenraum, gab es jedoch kein
Weiterkommen. Ich versuchte meinen Arm noch weiter zu strecken und legte mich
mit dem Bauch flach auf den Boden, trotzdem war ich noch immer zu weit weg. Als
mir klar wurde, dass ich, ohne die Trage abzunehmen, das Reagenzglas nie
erreichen würde und Shane gleichzeitig über mir aus dem Fenster schrie, dass
ich mich beeilen sollte, weil sich mein Portal bestimmt gleich wieder schließen
würde, musste ich mich entscheiden. Da mir keine Zeit blieb das Risiko weiter
abzuwägen, hoffte ich einfach auf mein Glück. Ich schob die Tragegurte von
meinen Schultern und setzte Michi neben mir auf dem Boden ab. Mit einer Hand
hielt ich den Kontakt zur Trage weiter aufrecht, mit der anderen versuchte ich
das Reagenzglas zu erreichen. Doch die Länge meiner Arme reichte nicht aus, um
an das Röhrchen zu gelangen. Es blieb mir nichts anderes übrig, als die Trage
kurz loszulassen.
„Geschafft“, atmete ich erleichtert auf, als ich das Glasröhrchen zwischen
meinen Fingern spürte. Vorsichtig bugsierte ich es in die Gesäßtasche meiner
Jeans. Rückwärts, auf allen Vieren kriechend, schob ich mich so schnell es ging
zurück. Es waren nur noch wenige Zentimeter, die meine Finger von der Trage
trennten, doch noch bevor ich sie berühren konnte, spürte ich wie sich die
vielen kleinen, harten Baumrindenstücke unter mir in einen weichen Untergrund
verwandelten. Entsetzt blickte ich auf den vom grünen Moos überwucherten
Waldboden und fand mich allein im Wald von Kaltenbach wieder. Mein Portal hatte
sich tatsächlich im ungünstigsten aller Augenblicke geschlossen. Natürlich!
Erst hatte ich noch Hoffnung einen weiteren Portalpilz zu finden und auch Shane
würde sicher nicht untätig herumsitzen und nach einer Lösung suchen. Deshalb
wartete ich darauf, dass sich irgendwo ein Portal öffnen und Shane mir Michi
zurückbringen würde. Aber es tat sich nichts. Auch mein Geruchsdetektor schlug
nirgends an, egal in welcher Richtung ich es auch versuchte. Erst nach und nach
erkannte ich, dass für Michi keine Möglichkeit mehr bestand zu mir
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