Ein Hauch von Schnee und Asche
in ihre Tasse. Scharfer Schwefelgeruch erhob sich sofort wie ein Dämon inmitten des Miasmas aus Fäkalien und Zwiebeln.
Malva erstarrte, und ihre tränenden Augen wurden groß.
»Was ist das?«, fragte sie.
»Schwefelsäure«, sagte Brianna und musterte sie neugierig.
»Vitriol«, verbesserte ich. »Habt Ihr es schon einmal gesehen – äh, gerochen?«
Sie nickte, schüttete die zerkleinerten Zwiebeln in einen Topf und legte rasch einen Deckel darauf.
»Aye, das habe ich.« Sie kam näher, um einen Blick auf die grüne Glasflasche zu werfen und betupfte ihre Augen. »Meine Mutter – sie ist gestorben, als ich noch klein war – hatte auch welche. Ich erinnere mich an den Geruch und daran, dass sie gesagt hat, ich darf es nicht anfassen, niemals.«
»Wirklich? Ich frage mich, was sie damit gemacht hat.« Das fragte ich mich tatsächlich und mit einem gewissen Gefühl der Beklommenheit. Für einen Alchimisten oder Apotheker war es nichts Ungewöhnliches, Schwefelsäure im Haus zu haben; der einzige Grund, den ich mir für einen Normalbürger vorstellen konnte, war, damit nach jemandem zu werfen.
Malva schüttelte nur den Kopf und wandte sich wieder den Zwiebeln und dem Knoblauch zu. Doch ich hatte ihren Blick gesehen; eine merkwürdige Miene voller Feindseligkeit und Sehnsucht, die mich tief im Inneren unvermutet an etwas erinnerte.
Die Sehnsucht nach einer verstorbenen Mutter – und die Wut eines kleinen, verlassenen Mädchens. Verwirrt und allein.
»Was?« Brianna beobachtete mein Gesicht mit leicht gerunzelter Stirn. »Was hast du?«
»Nichts«, sagte ich und legte ihr die Hand auf den Arm, nur um zu spüren, dass sie da war, kraftvoll, freudig, Jahr um Jahr gewachsen. Tränen brannten in meinen Augen, doch das konnte auch an den Zwiebeln liegen. »Wirklich gar nichts.«
Langsam wurde ich der Begräbnisse müde. Dies war das dritte in ebenso vielen Tagen. Wir hatten Hortense und das Baby zusammen begraben, dann die alte Mrs. Ogilvie. Jetzt war es wieder ein Kind, einer von Mrs. MacAfees Zwillingen. Der andere Zwilling, ein Junge, stand am Grab seiner Schwester und war so erschrocken, dass er wie ein wandelnder Geist aussah, obwohl er selbst die Krankheit nicht gehabt hatte.
Wir waren später dran als beabsichtigt – der Sarg war noch nicht ganz fertig gewesen – und ringsum stieg die Nacht auf. Alles Gold der Herbstblätter war zu Asche verblichen, und weißer Nebel ringelte sich um die dunklen feuchten Stämme der Kiefern. Man konnte sich kaum eine trostlosere Szene vorstellen – und doch war sie passender als der helle Sonnenschein und der frische Wind, der geweht hatte, als wir Hortense und die kleine Angelica begraben hatten.
»Der Herr ist mein Hirte … Er wird mich leiten -« Rogers Stimme überschlug sich schmerzhaft, doch das schien niemand zu bemerken. Er kämpfte einen Moment dagegen an und schluckte, dann fuhr er hartnäckig fort. Er hatte die kleine grüne Bibel in den Händen, doch er sah sie nicht an; er sprach auswendig, und sein Blick wanderte von Mr. MacAfee, der allein dastand,
denn seine Frau und seine Schwester waren beide krank, zu dem kleinen Jungen an seiner Seite – einem Jungen, der etwa in Jemmys Alter war.
»Und wandle … wandle ich auch im Tal des Todes, fürchte … fürchte ich kein Unheil -« Seine Stimme zitterte hörbar, und ich sah, dass ihm die Tränen über das Gesicht liefen. Ich sah mich nach Brianna um; sie stand etwas abseits hinter den Trauernden, Jemmy halb in die Falten ihres dunklen Umhangs gehüllt. Sie hatte die Kapuze hochgezogen, doch ihr Gesicht war zu sehen, blass in der Düsternis, Unsere liebe Frau der Schmerzen.
Selbst Major MacDonalds roter Rock hatte die Farbe verloren und war holzkohlengrau im letzten Licht. Er war am Nachmittag eingetroffen und hatte mitgeholfen, den kleinen Sarg zu tragen; jetzt stand er da, den Hut ernst unter den Arm geklemmt, den Kopf gesenkt, das Gesicht unter der Perücke unsichtbar. Auch er hatte ein Kind – eine Tochter, irgendwo daheim in Schottland bei ihrer Mutter.
Ich schwankte ein wenig und spürte Jamies Hand unter meinem Ellbogen. Ich hatte seit fast drei Tagen nicht mehr geschlafen und kaum gegessen. Doch ich fühlte mich weder hungrig noch müde; ich fühlte mich fern und unwirklich, als bliese der Wind durch mich hindurch.
Der Vater stieß einen Aufschrei untröstlicher Trauer aus und sank plötzlich auf den Erdhügel, der durch den Aushub des Grabs entstanden war. Ich spürte, wie sich Jamies
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