Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
Doch die Fieberträume waren jetzt fort, und mein Schlaf war ein See mit tiefem, schwarzem Wasser, in dem ich das Vergessen atmete und unbekümmert wie ein Fisch an schwankenden Wasserpflanzen vorbeitrieb.
    Manchmal schwebte ich dicht unter der Oberfläche dahin und war mir der Menschen und Dinge an der Luft bewusst, konnte aber nicht zu ihnen durchstoßen. Stimmen sprachen dicht in meiner Nähe, gedämpft und bedeutungslos. Dann und wann durchdrang ein Satzfetzen die klare Flüssigkeit, die mich umgab, und schwebte in meinen Kopf, wo er hing wie eine winzige Qualle, rund und durchsichtig, durch eine mysteriöse tiefere Bedeutung zum Pulsieren gebracht, seine Worte ein treibendes Netz.
    Jeder Satz blieb eine Weile in meinem Gesichtsfeld hängen, faltete und entfaltete sich in seinem seltsamen Rhythmus, bis er dann leise an die Oberfläche davontrieb und Stille hinterließ.
    Und zwischen den kleinen Quallen kamen offene, klare Wasserflächen, manche von strahlendem Licht erfüllt, manche von der Dunkelheit grenzenlosen Friedens. Ich trieb auf und ab, von den Launen unbekannter Strömungen gehalten zwischen der Oberfläche und den Tiefen.
    »Heiler, blicke her.« Pfizz. Etwas regt sich, ein schlummernder Keim bewusster Wahrnehmung; aufgestört durch Luftbläschen teilt er sich und blüht auf. Dann ein Stich, scharf wie Metall. Wer ruft mich da? Heiler, blicke her.
    Ich öffnete meine Augen.
    Es war kein großer Schock, denn das Zimmer war von Zwielicht erfüllt, stillem Licht, als wäre man unter Wasser, und ich fühlte mich nicht aufgestört.
    »Oh, Herr Jesus Christus, Du großer Heiler: Blicke großzügig auf diese deine Dienerin; schenke jenen, die sie in ihrer Krankheit umsorgen, Weisheit und Vorsicht; segne alle Mittel zu ihrer Wiederherstellung …«
    Die Worte rannen wie ein flüsternder Strom über mich hinweg und kühlten meine Haut. Vor mir war ein Mann, sein dunkelhaariger Kopf über ein Buch gebeugt. Das Licht im Zimmer umarmte ihn, und er schien ein Teil davon.
    »Strecke deine Hand aus«, flüsterte er den Seiten zu, und seine Stimme krächzte und hakte, »und wenn du es willst, gib ihr Gesundheit und Kraft
zurück, auf dass sie lebe, um dich für deine Güte und Gnade zu preisen; zum Ruhm deines heiligen Namens. Amen.«
    »Roger?«, sagte ich ratend seinen Namen. Auch meine Stimme war heiser, weil ich sie so lange nicht benutzt hatte; zu sprechen bedeutete unerträgliche Anstrengung.
    Seine Augen waren zum Gebet geschlossen; sie öffneten sich abrupt und ungläubig, und mir fiel auf, wie lebhaft sie waren, das Grün von Sommerlaub und nassem Serpentin.
    »Claire?« Seine Stimme überschlug sich wie die eines Jungen im Stimmbruch, und das Buch fiel ihm aus der Hand.
    »Ich weiß es nicht«, sagte ich und spürte, wie mich das traumgleiche Gefühl des Untertauchens wieder zu umfassen drohte. »Bin ich das?«
     
    Ich konnte für ein oder zwei Sekunden eine Hand heben, war aber zu schwach, um auch nur den Kopf zu bewegen, ganz zu schweigen davon, mich hinzusetzen. Roger zog mich hilfsbereit in eine halb aufrechte Position, lehnte mich gegen einen Kissenstapel und legte mir die Hand auf den Hinterkopf, um zu verhindern, dass er wackelte, während er mir eine Tasse Tee an die trockenen Lippen hielt. Es war die merkwürdige Art, wie sich seine Hand auf der bloßen Haut meines Nackens anfühlte, die es mir vage dämmern ließ. Dann spürte ich die Wärme seiner Hand deutlich und unmittelbar auf meinem Hinterkopf und zuckte zusammen wie ein gestrandeter Lachs, so dass die Teetasse durch die Luft segelte.
    »Was? Was?«, prustete ich und umklammerte meinen Kopf, zu schockiert, um einen vollständigen Satz zu formulieren. Den heißen Tee, der durch die Laken sickerte, bemerkte ich gar nicht. »WAS?!«
    Roger sah beinahe genauso schockiert aus, wie ich mich fühlte. Er schluckte und suchte nach Worten.
    »Ich … ich … ich dachte, du wüsstest es«, stammelte er, und seine Stimme überschlug sich. »War das etwa nicht…? Ich meine… ich dachte … hör zu, es wächst doch wieder nach!«
    Ich konnte spüren, wie mein Mund arbeitete und sich an unterschiedlichen Formen versuchte, die eine mögliche Ähnlichkeit mit Worten besaßen, doch es bestand keine Verbindung zwischen Zunge und Hirn – es gab nur Raum für die Erkenntnis, das das gewohnte weiche, schwere Gewicht meines Haars verschwunden und einem Stachelpelz gewichen war.
    »Malva und Mrs. Bug haben es abgeschnitten, vorgestern«, sagte Roger fast wie in

Weitere Kostenlose Bücher