Ein Hauch von Schnee und Asche
Worte ertranken im lautlosen Donnern meines Sturms.
Ich fühlte mich sehr, sehr seltsam – jedoch zum ersten Mal in unzähligen Tagen nicht krank. Die Fieberwolken hatten sich verzogen; zwar grollte ihr Donnern nach wie vor leise in der Nähe, doch im Moment waren sie außer Sichtweite. Mein Blick war klar; ich konnte das freiliegende Holz der Deckenbalken über mir sehen.
Ich sah das Holz sogar so deutlich, dass mich angesichts seiner Schönheit Ehrfurcht ergriff. Die Windungen und Kringel der polierten Holzkörnung schienen gleichzeitig reglos und in eleganter Bewegung zu sein, ihre Farben rauchig zu schimmern und die Essenz der Erde auszustrahlen, so dass ich sehen konnte, wie der bearbeitete Balken immer noch den Geist des Baumes enthielt.
Dies faszinierte mich so sehr, dass ich meine Hand ausstreckte, um das Holz zu berühren – und es auch tat. Meine Finger freuten sich an seiner kühlen Oberfläche und den Rinnen der Axtspuren, die den ganzen Balken flügelförmig überzogen, so ebenmäßig wie ein fliegender Gänseschwarm. Ich konnte das Schlagen kraftvoller Schwingen hören und zugleich spüren, wie meine Schultern ausholten und niedersausten, wie Freude in meinen Armen vibrierte, wann immer die Axt auf das Holz traf. Während ich dieses faszinierende Gefühl noch auskostete, dämmerte mir, dass sich der Balken fast zweieinhalb Meter über dem Bett befand.
Ich drehte mich um – ohne das geringste Gefühl der Anstrengung – und sah, dass ich unten auf dem Bett lag.
Ich lag auf dem Rücken, die Bettwäsche zerwühlt und verstreut, als hätte ich versucht, mich davon zu befreien, aber nicht die Kraft dazu gehabt. Die Luft im Zimmer war seltsam unbewegt, und die farbigen Flächen auf dem Stoff leuchteten hindurch wie Edelsteine am Meeresboden, bunt, aber gedämpft.
Im Gegensatz dazu hatte meine Haut die Farbe von Perlen, blutleer, blass und schimmernd. Und dann sah ich, dass ich so abgemagert war, dass sich die Haut meines Gesichts und meiner Gliedmaßen fest um die Knochen spannte und es der Glanz der Knochen und Knorpel darunter war, der meinem
Gesicht diesen Schimmer verlieh, eine glatte Härte, die die transparente Haut durchleuchtete.
Und was es für Knochen waren! Ich war voller Staunen über ihre wunderbare Form. Mein Blick zeichnete voll Ehrfurcht und Erstaunen die zarten Rippenbögen nach, die beinahe schmerzhafte Schönheit des gemeißelten Schädels.
Mein Haar war zerzaust, verklebt und verworren … und doch fühlte ich mich davon angezogen, folgte seinen Locken mit Auge und … Finger? Denn ich war mir nicht bewusst, mich bewegt zu haben, und doch spürte ich die weichen Strähnen, kühles und seidiges Braun, elastisches, lebendiges Silber, hörte die Haare leise klingelnd aneinander stoßen, eine raschelnde Kaskade von Tönen wie die einer Harfe.
Mein Gott , sagte ich und hörte die Worte, obwohl kein Geräusch die Luft bewegte, du bist so schön .
Meine Augen standen offen. Ich schaute tief hinein und traf auf einen Blick aus Bernstein und sanftem Gold. Die Augen sahen durch mich hindurch in weite Ferne – und doch sahen sie mich auch. Ich sah, wie sich die Pupillen leicht weiteten, und spürte, wie mich ihr warmes Dunkel wissend und einwilligend aufnahm. Ja , sagten diese wissenden Augen. Ich kenne dich. Lass uns gehen. Ich empfand großen Frieden, und die Luft ringsum regte sich, als rauschte ein Windhauch durch Gefieder.
Dann ließ mich ein Geräusch zum Fenster herumfahren, und ich sah den Mann, der dort stand. Ich hatte keinen Namen für ihn, und doch liebte ich ihn. Er stand mit dem Rücken zum Bett, die Arme auf die Fensterbank gestützt, und sein Kopf war ihm auf die Brust gesunken, so dass das Licht der Morgendämmerung rot auf seinem Haar glühte und seine Arme in Gold tauchte. Trauer schüttelte ihn krampfhaft; ich spürte es wie die Stöße eines fernen Erdbebens.
Neben ihm bewegte sich jemand. Eine dunkelhaarige Frau, ein Mädchen. Sie trat zu ihm, berührte seinen Rücken, murmelte ihm etwas zu. Ich sah, wie sie ihn ansah, wie sie sanft den Kopf neigte, sich ihr Körper dem seinen vertraulich entgegenlehnte.
Nein , dachte ich mit großer Ruhe. Das geht nicht .
Ich richtete noch einen Blick auf mich, wie ich auf dem Bett lag. Mit einem Gefühl, das zugleich fester Entschluss und unermessliches Bedauern war, holte ich wieder Luft.
64
Ich bin die Auferstehung, Teil 2
Ich schlief immer noch über lange Strecken und erwachte nur kurz, um etwas zu mir zu nehmen.
Weitere Kostenlose Bücher