Ein Hauch von Schnee und Asche
sinken.
»Sassenach?«
»Hm?«
Ein Augenblick des Zögerns, dann fand seine Hand die meine und umfasste sie.
»Du würdest das nicht tun, was sie getan hat, oder?«
»Wer?«
»Sie. Die Holländerin.«
Kurz vor dem Einschlafen aufgeschreckt, fühlte ich mich so benommen und verwirrt, dass selbst das Bild der in ihre Schürze gehüllten Toten mir irreal erschien und mich auch nicht mehr verstörte als die zufälligen Fragmente der Realität, die mein Hirn über Bord warf, während es vergeblich versuchte, sich über Wasser zu halten, als ich mich in Tiefen des Schlafs sinken ließ.
»Was denn? Ins Feuer fallen? Ich werde mir Mühe geben«, versicherte ich ihm gähnend. »Gute Nacht.«
»Nein. Wach auf.« Er schüttelte mir sanft den Arm. »Sprich mit mir, Sassenach.«
»Ng.« Es kostete mich beträchtliche Mühe, doch ich schob Morpheus’ verführerische Arme von mir und ließ mich auf die Seite kullern, so dass ich ihn ansehen konnte. »Mm. Mit dir reden. Über -?«
»Die Holländerin«, wiederholte er geduldig. »Wenn ich ums Leben käme, würdest du doch nicht hingehen und deine ganze Familie töten, oder?«
»Was?« Ich rieb mir mit der freien Hand über das Gesicht und versuchte, zwischen den dahintreibenden Schlaffetzen zu begreifen, was er meinte. »Wessen ganze… oh. Du glaubst, sie hat es absichtlich getan? Sie vergiftet?«
»Das glaube ich, ja.«
Seine Worte waren nicht mehr als ein Flüstern, doch sie holten mich ins
Bewusstsein zurück. Ich lag einen Moment schweigend da, dann streckte ich die Hand aus, um mich zu vergewissern, dass er wirklich da war.
Er war es; ein großes, greifbares Objekt, sein glatter Hüftknochen warm und lebendig unter meiner Hand.
»Es könnte doch genauso gut ein Unfall gewesen sein«, sagte ich mit leiser Stimme. »Du kannst es nicht mit Sicherheit sagen.«
»Nein«, gab er zu. »Aber ich muss es mir ununterbrochen vorstellen.« Er drehte sich unruhig auf den Rücken.
»Die Männer sind gekommen«, sagte er leise zu den Deckenbalken. »Er hat sich gewehrt, und sie haben ihn an Ort und Stelle umgebracht, auf seiner eigenen Türschwelle. Und als sie sah, dass ihr Mann nicht mehr da war… Ich glaube, sie hat den Männern gesagt, sie müsste zuerst den Kleinen etwas zu essen machen, bevor… Und dann hat sie Krötenschwämme in den Eintopf gemischt und ihn den Kindern und ihrer Mutter gegeben. Sie hat die beiden Männer mit sich gerissen, aber ich glaube, das ist der Unfall gewesen. Sie hatte nur vor, ihm zu folgen. Sie wollte ihn nicht allein lassen.«
Ich hätte ihm am liebsten gesagt, dass dies eine sehr dramatische Interpretation der Dinge war, die wir gesehen hatten. Aber ich konnte ihm ja kaum sagen, dass er Unrecht hatte. Als ich ihn beschreiben hörte, was er vor seinem inneren Auge sah, konnte ich es selbst nur zu deutlich sehen.
»Du weißt es nicht«, sagte ich leise. »Du kannst es nicht wissen.« Es sei denn, du findest die anderen Männer , dachte ich plötzlich, und fragst sie . Doch das sagte ich nicht.
Eine Zeit lang sagte keiner von uns beiden etwas. Ich wusste genau, dass er immer noch darüber nachdachte, doch der Schlaf sog mich erneut an wie Treibsand, hartnäckig und verlockend.
»Was, wenn ich dich nicht beschützen kann?«, flüsterte er schließlich. Sein Kopf bewegte sich plötzlich auf dem Kissen und wandte sich mir zu. »Dich und die anderen? Ich werde es mit aller Kraft versuchen, Sassenach, und es macht mir nichts aus, wenn ich dabei sterbe… Aber was, wenn ich zu früh sterbe – und es mir nicht gelingt?«
»Das wirst du nicht«, flüsterte ich zurück. Er seufzte und neigte den Kopf, so dass seine Stirn an meiner ruhte. Ich konnte Eier und Whisky warm in seinem Atem riechen.
»Ich werde es versuchen«, sagte er, und ich legte meinen Mund auf den seinen, der mir sanft begegnete, Bestätigung und Trost in der Dunkelheit.
Ich legte meinen Kopf an seine Schulter, legte eine Hand um seinen Arm und atmete den Geruch seiner Haut ein, Rauch und Salz, als sei er im Feuer geräuchert worden.
»Du riechst wie ein Räucherschinken«, murmelte ich, und er stieß einen leisen Laut der Belustigung aus und schob seine Hand an ihre gewohnte Stelle, eingeschlossen zwischen meinen Oberschenkeln.
Nun ließ ich endlich los, und der Schlaf umfing mich wie schwerer Sand.
Vielleicht sagte er es, während ich in die Finsternis sank, vielleicht träumte ich es auch nur.
»Wenn ich sterbe«, flüsterte er in der Dunkelheit, »folge mir nicht.
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