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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Kautereisen und Skalpelle stand in einem Becher Terpentin. Er holte eins nach dem anderen heraus, wischte sie trocken und legte sie nebeneinander zurück in ihre Schatulle. Die spatenförmigen Metallspitzen der Kautereisen waren vom Gebrauch geschwärzt; die abgenutzten Skalpellklingen glänzten dumpf, doch ihre scharfen Kanten glitzerten, eine Haaresbreite aus leuchtendem Silber.

    »Uns passiert schon nichts«, sagte ich leise. Ich hatte es als beruhigende Feststellung gedacht, doch es kam mit einem fragenden Unterton heraus.
    »Aye, ich weiß«, sagte er. Er legte das letzte Eisen in die Schatulle, ohne aber den Deckel zu schließen. Stattdessen stand er da, die gespreizten Hände flach auf der Arbeitsplatte, und sah vor sich hin.
    »Ich möchte nicht gehen«, sagte er leise. »Ich will es nicht tun.«
    Ich war mir nicht sicher, ob er mit mir sprach oder mit sich selbst – aber ich hatte nicht das Gefühl, dass er nur seine Reise in das Cherokeedorf meinte.
    »Ich möchte es auch nicht«, flüsterte ich und trat noch ein wenig dichter an ihn heran, so dass ich seinen Atem spürte. Da hob er die Hände, wandte sich mir zu, nahm mich in die Arme, und wir standen eng umschlungen da und lauschten dem Atem des anderen. Und der bittere Geruch des ziehenden Tees durchdrang die heimeligen Düfte nach Leinen, Staub und sonnengewärmter Haut.
    Es waren immer noch Entscheidungen zu fällen, Entschlüsse zu fassen, Pläne zu schmieden. Viele sogar. Doch innerhalb eines Tages, einer Stunde, einer einzigen Absichtserklärung hatten wir die Schwelle zum Krieg überschritten.

10
    Die Pflicht ruft
    Er hatte zwar Bobby losgeschickt, um Roger Mac zu holen, hielt es aber nicht aus zu warten und machte sich selbst auf den Weg, während Claire ihre Medizin braute.
    Im Freien schien alles von Frieden und Schönheit erfüllt zu sein. Ein Schaf mit zwei Lämmern stand träge in seinem Pferch und kaute mit langsamen Kieferbewegungen zufrieden vor sich hin, während die Lämmer ungeschickt wie zwei pelzige Grashüpfer hinter ihm herumhoppelten. Claires Kräuterbeet war voller grüner Keimlinge und den zerzausten Überresten der Stauden, die nach dem Winter gerade wieder neu zu sprießen begannen.
    Die Brunnenabdeckung lag schief; er bückte sich, um sie an Ort und Stelle zu schieben und stellte fest, dass sich die Bretter verzogen hatten. Er setzte ihre Instandsetzung mit auf die ewige Liste der Aufgaben und Reparaturen in seinem Kopf und wünschte sich sehnsüchtig, er könnte die nächsten paar Tage ganz mit Graben, Mistausfahren, Dachdeckerarbeiten und Ähnlichem verbringen statt mit dem Vorhaben, das er im Begriff war auszuführen.

    Er hätte lieber die alte Kotgrube zugeschüttet oder Schweine kastriert als zu Roger Mac zu gehen und ihn zu fragen, was er über Indianer und Revolutionen wusste. Er fand es irgendwie gruselig, mit seinem Schwiegersohn über die Zukunft zu sprechen, und versuchte es grundsätzlich zu vermeiden.
    Die Dinge, die Claire ihm von ihrer eigenen Zeit erzählte, kamen ihm oft wie Fantasiegebilde vor, denen die unterhaltsame, halb reale Aura von Märchen anhaftete, und waren manchmal makaber, aber stets interessant, weil er dabei auch immer etwas über seine Frau erfuhr. Brianna teilte oft kleine, alltägliche Details über mechanische Erfindungen mit ihm, was interessant war, oder wilde Geschichten über Männer, die auf dem Mond herumliefen, was ungeheuer amüsant war, aber keine Gefahr für seinen Seelenfrieden darstellte.
    Roger Mac dagegen hatte eine kaltblütige Art zu erzählen, die ihn in gewisser Weise an die historischen Werke erinnerte, die er gelesen hatte, und daher etwas ganz konkret Unheilvolles an sich hatte. Sich mit Roger Mac zu unterhalten ließ es nur zu möglich erscheinen, dass dieser, jener oder ein anderer Angst einflößender Umstand nicht nur tatsächlich eintreten würde, sondern höchstwahrscheinlich auch direkte persönliche Konsequenzen haben würde.
    Es war, als unterhielte man sich mit einem besonders böswilligen Wahrsager; einem, dem man nicht genug bezahlt hatte, um etwas Angenehmes zu hören zu bekommen. Dieser Gedanke erinnerte ihn plötzlich an ein Erlebnis, das wie ein Anglerkorken an die Oberfläche seines Verstandes schnellte.
    In Paris. Er war mit Freunden, anderen Studenten, auf Sauftour in den nach Urin stinkenden Wirtshäusern in der Nähe der Université gewesen. Er war selbst ziemlich betrunken gewesen, als einer von ihnen unvermittelt auf den Gedanken kam, sich die

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