Ein Hauch von Schnee und Asche
Hand lesen zu lassen. Er war den anderen in die Ecke gefolgt, in der wie immer die Alte saß, die es tat, kaum zu sehen im Dunkel des Wirtshauses und den Wolken aus Pfeifenrauch.
Er hatte nicht vorgehabt, es ebenfalls zu tun; er hatte nur ein bisschen Kleingeld in der Tasche und wollte es nicht für gottlosen Unsinn verplempern. Das hatte er auch laut gesagt.
Woraufhin eine fleischlose Klaue aus der Dunkelheit geschossen kam, seine Hand gepackt und lange, schmutzige Nägel in seine Haut gebohrt hatte. Er hatte überrascht aufgeschrien, und seine Freunde hatten gelacht. Sie lachten noch lauter, als sie ihm auf die Handfläche spuckte.
Sie verrieb ganz geschäftsmäßig den Speichel auf seiner Haut, beugte sich so dicht zu ihm herüber, dass er ihren alten Schweiß riechen und die Läuse in ihrem angegrauten Haar herumkriechen sehen konnte, das unter dem Rand ihres rötlichschwarzen Schultertuchs hervorlugte. Sie starrte auf seine Hand, und ihr schmutziger Fingernagel zeichnete die Linien darauf nach und kitzelte ihn dabei. Er versuchte, die Hand wegzuziehen, doch sie umklammerte
sein Handgelenk noch fester, und er stellte überrascht fest, dass er sich nicht aus ihrem Griff lösen konnte.
»Tu es un chat« , hatte die Alte im Tonfall böswilligen Interesses angemerkt. »Du bist eine Katze, du. Eine kleine, rote Katze.«
Dubois – so hieß er, Dubois – hatte zur Belustigung der anderen sofort zu miauen und zu jaulen angefangen. Er selbst weigerte sich, auf den Köder hereinzufallen, sagte nur: »Merci, Madame« , und versuchte erneut, seine Hand wegzuziehen.
»Neuf« , sagte sie, während sie ihm hier und dort auf die Handfläche tippte, dann einen Finger ergriff und bedeutungsvoll damit wackelte. »Du hast eine Neun in deiner Hand. Und den Tod«, fügte sie beiläufig hinzu. »Du wirst neunmal sterben, bevor du im Grab zur Ruhe kommst.«
Dann hatte sie ihn losgelassen, begleitet von einem Chor sarkastischer Oh-la-las der französischen Studenten und dem Gelächter der anderen.
Er prustete und schob die Erinnerung wieder dorthin, woher sie aufgetaucht war. Sollte sie dort bleiben. Doch die Alte weigerte sich, einfach so zu gehen, und rief ihn über die Jahre hinweg, wie sie ihm durch die lärmerfüllte, biergeschwängerte Luft des Wirtshauses hindurch nachgerufen hatte.
»Manchmal schmerzt es nicht zu sterben, mon p’tit chat «, hatte sie ihm spöttisch hinterhergerufen. »Aber meistens schmerzt es doch.«
»Nein, das tut es nicht«, brummte er und blieb angewidert stehen, als er sich selbst reden hörte. Himmel. Es war nicht er selbst, den er hörte, sondern sein Patenonkel.
»Hab keine Angst, Junge. Es tut gar nicht weh zu sterben.« Er sah nicht, wohin er trat, und stolperte, fing sich wieder und blieb stehen, den Geschmack von Metall auf der Zunge.
Sein Herz hämmerte plötzlich grundlos, als sei er meilenweit gerannt. Er sah die Blockhütte vor sich, kein Zweifel, und hörte die Rufe der Eichelhäher in den noch spärlich belaubten Kastanien. Doch noch deutlicher sah er Murtaghs Gesicht, dessen grimmige Linien sich zu einem friedlichen Ausdruck entspannten, sah die schwarzen Augen, die fest auf die seinen gerichtet waren, deren Blick aber immer wieder klar wurde und verschwamm, als sähe sein Patenonkel zugleich ihn an und etwas, das sich weit hinter ihm befand. Er spürte Murtaghs Gewicht in seinen Armen, spürte seinen Körper plötzlich schwer werden, als er starb.
Die Vision verschwand genauso abrupt, wie sie erschienen war, und er fand sich am Rand einer Regenpfütze wieder, in der eine Holzente halb im Schlamm vergraben war.
Er bekreuzigte sich mit einem raschen Wort des Friedens für Murtaghs Seele, dann bückte er sich und zog die Ente aus dem Schlamm, den er in der Pfütze abwusch. Seine Hände zitterten, was auch kaum ein Wunder war. Seine Erinnerungen an Culloden waren spärlich und bruchstückhaft – doch sie kehrten allmählich zurück.
Bis jetzt waren es nur Momente am Rande des Einschlafens gewesen. Dort hatte er Murtagh schon öfter gesehen, dort und in den Träumen, die darauf folgten.
Er hatte Claire nichts davon erzählt. Noch nicht.
Er drückte die Tür der Blockhütte auf, doch sie war leer, das Herdfeuer fast erloschen, und der Webstuhl ruhte. Brianna war wahrscheinlich bei Fergus und besuchte Marsali. Wo mochte Roger Mac nur sein? Er trat wieder ins Freie und lauschte.
Axthiebe tönten hinter der Hütte schwach aus dem Wald. Dann ließen sie nach, und er hörte
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