Ein Hauch von Schnee und Asche
langsam, während er mit dem überwältigenden Bedürfnis rang, sich ein Pferd aus dem Stall zu holen, nach Cross Creek zu reiten und in der Dunkelheit ein Haus nach dem anderen abzusuchen, bis er Stephen Bonnet fand.
»Schön«, sagte er laut. »Und was dann?« Seine Hände ballten sich unwillkürlich zu Fäusten – sie wussten genau, was zu tun war, auch wenn seinem Verstand die Vergeblichkeit eines solchen Vorgehens klar war.
Er kämpfte die Wut und Hilflosigkeit nieder, während die Überreste des Whiskys sein Blut kochen und in seinen Schläfen hämmern ließen. Er trat abrupt durch die offene Tür in die Nacht hinaus, denn es war inzwischen vollständig dunkel. Von dieser Seite des Hauses aus war die Wiese nicht zu sehen, doch er konnte den Rauch der Feuer noch riechen und hörte das leise Trällern der Musik.
Er hatte gewusst, dass Bonnet eines Tages zurückkehren würde. Dort unten am Rand des Rasens leuchtete Hector Camerons weißes Mausoleum schwach in der Nacht. Und in seinem Inneren, versteckt in dem Sarg, der auf Hectors Frau Jocasta wartete, lag ein Vermögen in Jakobitengold, das lange gehütete Geheimnis von River Run.
Bonnet wusste, dass das Gold existierte, vermutete, dass es sich auf der Plantage befand. Er hatte schon einmal versucht, es an sich zu bringen, und versagt. Er war alles andere als umsichtig, Bonnet – doch er war hartnäckig.
Roger hatte das Gefühl, dass seine Knochen aus seiner Haut wollten, so sehr verlangte es ihn danach, den Mann zu jagen und zu töten, der seine Frau vergewaltigt und seiner Familie gedroht hatte. Doch es waren sechsundsiebzig Menschen von ihm abhängig – nein, siebenundsiebzig. Sein Rachebedürfnis rang mit seinem Verantwortungsbewusstsein – und gab höchst widerstrebend nach.
Er holte langsam und tief Luft und spürte, wie sich der Knoten der Seilnarbe in seiner Kehle zuzog. Nein. Er musste aufbrechen und für die Sicherheit der neuen Pächter sorgen. Der Gedanke, sie mit Arch und Tom loszuschicken, während er zurückblieb und nach Bonnet suchte, war verlockend – doch es war seine Aufgabe; er konnte sie nicht vernachlässigen zugunsten einer Zeit raubenden und wahrscheinlich nutzlosen persönlichen Angelegenheit.
Noch konnte er Jemmy ohne Schutz lassen.
Doch er musste es Duncan sagen; er konnte sich darauf verlassen, dass Duncan alles Nötige zum Schutz von River Run unternahm und die Autoritäten in Cross Creek veranlasste, Nachforschungen anzustellen.
Und morgen würde Roger dafür sorgen, dass Jemmy stets in Sicherheit
war, ihn vor sich auf dem Sattel halten, ihn auf dem ganzen Weg in die Zuflucht der Berge keine Sekunde aus den Augen lassen.
»›Wer ist dein Papa?‹«, knurrte er, und die Wut rauschte erneut durch seine Adern. »Gottverdammt, ich bin das, du Mistkerl!«
DRITTER TEIL
EIN JEDES DING HAT SEINE ZEIT
16
Le Mot Juste
August 1773
»Du lächelst ja«, sagte Jamie in mein Ohr. »War es schön?«
Ich wandte den Kopf und öffnete die Augen, die sich auf einer Höhe mit seinem Mund befanden – und der lächelte ebenfalls.
»Schön«, sagte ich nachdenklich und zeichnete mit der Fingerspitze den Verlauf seiner breiten Unterlippe nach. »Bist du mit Absicht bescheiden, oder hoffst du, mich durch klassische Untertreibung zu Lobeshymnen anzuspornen?«
Sein Mund wurde noch breiter, und seine Zähne schlossen sich sanft um meinen tastenden Finger, bevor sie ihn wieder losließen.
»Oh, Bescheidenheit natürlich«, sagte er. »Wenn ich dich zu Hymnen inspirieren wollte, würde ich es doch nicht mit Worten tun, oder?«
Er fuhr mir zur Illustration mit einer Hand sacht über den Rücken.
»Nun ja, die Worte helfen aber«, sagte ich.
»Ja?«
»Ja. Gerade jetzt war ich nämlich dabei, ›Ich liebe dich, ich hab dich so gern, ich bete dich an, ich muss meinen Schwanz in dir spüren‹ nach ihrer relativen Aufrichtigkeit zu sortieren.«
»Habe ich das gesagt?«, fragte er und klang leicht verschreckt.
»Ja. Hast du nicht zugehört?«
»Nein«, gab er zu. »Aber mir ist jedes Wort ernst gewesen.« Seine Hand umfasste meine Pobacke und wiegte sie beifällig. »Ist es immer noch, wenn du so fragst.«
»Was, sogar das letzte?« Ich lachte und rieb meine Stirn sanft an seiner Brust. Sein Kinn ruhte gemütlich auf meinem Scheitel.
»Oh, aye«, sagte er und zog mich mit einem Seufzer fest an sich. »Ich gebe zwar zu, dass das Fleisch einen kleinen Happen und eine kurze Ruhepause braucht, bevor ich an das nächste Mal denken
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