Ein Hauch von Seide - Roman
Nachrichtenredaktion, wo sie Artikel von großer sozialer Bedeutung einreichte.
Sie wusste, dass man sie bei Vogue nur auslachen würde, wenn bekannt würde, wo ihre wahren Ambitionen lagen, doch sie wollte ihre Träume nicht aufgeben. Eines Tages würde sie tiefschürfende, bedeutungsvolle Artikel schreiben, die soziale Missstände aufdeckten und das Leben von Menschen veränderten. Eines Tages.
10
Roses Nacken fühlte sich kalt und nackt an, und ihr Kopf kam ihr seltsam leicht vor. Sie konnte der Versuchung nicht widerstehen, den Kopf zu wenden und im Vorbeigehen in den Schaufensterscheiben rasch einen Blick auf ihr Spiegelbild zu werfen. Der Wind fing sich in ihrem Haar und zerzauste es ungefähr so, wie Josh es nach dem Schneiden zerzaust hatte.
Er hatte ihr erklärt, am Montag wolle er es waschen und sich noch einmal vornehmen.
»Ich würde auch gern noch eine Tönung auftragen, etwas, was seinen Glanz betont. Dunkle Pflaume würde phantastisch aussehen.«
Bei der Erinnerung daran zuckte Rose jetzt ein wenig zusammen, und doch umspielte ein Lächeln ihre Lippen. Sie fühlte sich so frei und so … so anders, warf ihr Haar in zögerlichem Stolz herum, statt den Kopf einzuziehen, wenn sie sah, dass Leute sich nach ihr umwandten.
»Hey, Puppe, tolle Haare«, rief ein junger Teddyboy-Rocker, als er mit ein paar Kumpels an ihr vorbeikam.
Sie fand ihr Haar auch toll, musste Rose zugeben, obwohl es zuerst ein echter Schock gewesen war, als sie gesehen hatte, was Josh gemacht hatte.
Er hatte ihr die Haare hinten so kurz geschnitten, dass ihr schlanker Hals in ganzer Länge zu sehen war. Zudem hatte er es so gestylt, dass es eine ungewohnte Fülle und Bewegung besaß, und es war an den Seiten länger als hinten, sodass es ihr Kinn in zärtlichen kleinen Strähnen umspielte. Er hatte ihr auch einen Pony geschnitten, und doch hatte ihre neue Frisur unerwartet hohe Wangenknochen hervorgebracht, die jetzt vor Glück von zartem Rot überhaucht waren.
Sie hatte Josh und Ollie alleingelassen und war auf dem Heimweg. Ollie war so begierig darauf gewesen, in sein Atelier zu gehen und die Fotos von Josh beim Schneiden zu entwickeln, dass er beinahe einen Auftrag in den Wind geschossen hätte, den er für den Nachmittag angenommen hatte. Doch Josh hatte ihn daran erinnert, dass er ihm zehn Pfund schuldete.
Janey würde ihre neue Frisur bestimmt toll finden, doch Rose war sich nicht so sicher, was Ella davon halten würde.
Als der Ladengehilfe, der an ihr vorbeiradelte, ihr anerkennend hinterherpfiff, musste Rose über seine Frechheit lachen. Sie genoss die unerwartete Unbeschwertheit, die ihr neues Äußeres ihr verlieh.
So, er hatte es getan. Dougie konnte sich einfach nicht auf seine Arbeit konzentrieren, nämlich Lews Terminkalender für die kommende Woche durchzusehen. Er hatte diesen Anwalt angerufen, und am Montag hatte er einen Termin bei ihm, damit Mr Melrose die Sache mit ihm durchgehen und seine Angaben überprüfen konnte.
Er hatte dem Anwalt nicht gesagt, dass er Emerald schon kennengelernt hatte, nicht einmal als Mr Melrose vorgeschlagen hatte, die Witwe des verstorbenen Herzogs zu ihrem Treffen einzuladen. Er hatte gemeint, er habe das Gefühl, Dougie würde eine Gönnerin brauchen, die ihm half, sich an die Gesellschaft und an seine neue Rolle zu gewöhnen – sofern sich herausstellte, dass er in der Tat der gesuchte Erbe war. Er hatte es getan.
»Es tut mir schrecklich leid«, keuchte Emerald und täuschte eine verlegene Befangenheit vor, die keineswegs echt war, als ihr sorgfältig geplantes »zufälliges« Zusammenstoßen mit dem Herzog von Kent dazu führte, dass er sich ihr zuwandte. Das erlaubte ihr, mit ihrem Plan fortzufahren, indem sie ein demütiges »Oh, Eure Königliche Hoheit« stammelte.
»Schon gut. Machen Sie sich keine Sorgen.« Das Lächeln des Herzogs war eher höflich als warm, und er wandte sich schon wieder von ihr ab, doch so leicht ließ Emerald sich nicht abwimmeln. Seit sie ihm und seiner Mutter, Prinzessin Marina, zu Beginn des Abends sehr kurz formell vorgestellt worden war, hatte sie ihn beobachtet und auf ihre Gelegenheit gewartet, seine Aufmerksamkeit richtig auf sich zu lenken. Auf einen als Debütantinnenparty getarnten Kammermusikabend hatte sie eigentlich keine große Lust gehabt, doch das war, bevor sie erfahren hatte, dass der Herzog unter den geladenen Gästen war.
Für ihren nächsten Schachzug musste Emerald geduldig darauf harren, dass die Musik endete und
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