Ein Hauch von Seide - Roman
Ehenamen im Kopf übte: Ihre Königliche Hoheit, Herzogin von Kent.
Edward und Emerald. Was für ein glücklicher Zufall, dass sie dasselbe Inital hatten, fast als habe es von Anfang an so sein sollen. Sie seufzte selig, während Gwendolyn endlos über Tennis schwafelte.
Der Herzog war Mitglied der Royal Scots Greys, und Emerald wollte unbedingt diskret herausfinden, welche der anderen Debütantinnen männliche Verwandte bei diesem Regiment hatte, damit sie sich mit ihr anfreunden und ihr vorschlagen konnte, doch einige junge Offiziere zu ihren Teegesellschaften einzuladen. Schließlich war es nicht unüblich, dass junge Offiziere der Haustruppen an den gesellschaftlichen Ereignissen der Saison teilnahmen.
Ja, fand Emerald, alles in allem war es ein sehr erfolgreicher Abend gewesen.
Ollie richtete sich in seiner überfüllten kleinen Dunkelkammer auf und streckte den Rücken durch, während er sich die Abzüge ansah, die er eben mit wachsender Begeisterung entwickelt hatte. Es war noch hell gewesen, als er von der Geburtstagsfeier zurückgekommen war, zu der ihn ein treuer Anhänger der Kray-Zwillinge eingeladen hatte, um sie mit seiner Kamera festzuhalten. Der hier war weniger als Schläger aufgetreten denn als Mittelsmann, obwohl er wusste, wie er sich zu benehmen hatte. Er war in dem Boxstudio, wo Ollie trainiert hatte, sein Sparringspartner gewesen. Mit schwerem Körperbau und der typischen gebrochenen Nase des Exboxers hatte er die »Bitte« der Zwillinge einigermaßen freundlich vorgebracht, doch Ollie hatte sich gehütet, ihm zu sagen, er habe an dem Nachmittag eigentlich schon etwas vor.
Letzten Endes war die Party für ihn eine Gelegenheit gewesen, sich unter einst vertraute Gesichter zu mischen, darunter auch sein junger Cousin Willie, der seinen Rat in den Wind geschlagen hatte und herumstolziert war, als gehörte er zur Einsatztruppe der Zwillinge.
Doch weder die Kray-Brüder noch die Fotos, die er auf der Geburtstagsfeier zum Siebzigsten eines entfernten Cousins von ihnen geschossen hatte, waren dafür verantwortlich, dass er bis in die frühen Morgenstunden in seiner Dunkelkammer gearbeitet hatte.
Er betrachtete den Abzug noch einmal, und ein breites, entzücktes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. Es gab nicht den geringsten Zweifel, er war gut, und eines – nahen – Tages würde er der Beste sein. Die Fotos, die er gemacht hatte, während Josh Rose die Haare geschnitten hatte – hektisch draufhaltend, um jede Bewegung zu erhaschen –, waren verdammte Kunstwerke, wenngleich das vorerst nur seine eigene Meinung war. Wenn er nur einen Hauch Verstand besäße, würde er Josh ein Vermögen dafür in Rechnung stellen, da gab’s gar nichts, denn sie würden die Mädels in Scharen in den Salon locken, weil sie die Haare geschnitten haben wollten wie Rose. Doch es war sinnlos, darüber nachzudenken, was er Josh in Rechnung stellen könnte. Sein Freund war genauso pleite wie er selbst, lebte praktisch von der Hand in den Mund, immer in der Hoffnung, in der unsicheren Welt der Selbstständigkeit, in der sie beide gerade ihre ersten schwankenden Schritte taten, zu bestehen.
Wenn er jedoch das Interesse von Vogue wecken könnte … Auch wenn es sehr unwahrscheinlich war, dass die piekfeinen verantwortlichen Redakteurinnen der Zeitschrift begeistert wären, dass er auf eigene Faust arbeitete. Sie hatten ihre eigenen Vorstellungen davon, was für Fotos sie wollten, und wenn seine Ideen dem nicht ganz entsprachen, wurden sie schnell abgewiesen. Trotzdem, einen Versuch war es wert. Schließlich würde er mit der leitenden Feature-Redakteurin, der leitenden Moderedakteurin und einigen Mannequins nach Venedig reisen, um Fotos zu einem Artikel über »Die legendäre Reise im Orientexpress nach Venedig« zu machen sowie in Venedig selbst zu fotografieren.
Es war der größte Auftrag, den er bisher von Vogue erhalten hatte, und allein wegen des Honorars lohnte es sich zu spuren. Das Problem war, dass er, sobald er die Kamera vor dem Auge hatte, fast jedes Mal vergaß, dass er Geld verdienen musste, und sich stattdessen ganz in seinen eigenen Vorstellungen verlor.
Lieber Himmel, aber die Fotos von Rose und Josh waren phantastisch. Manchmal konnte er kaum glauben, was für ein Genie er war.
Er konnte es kaum erwarten, Josh die Aufnahmen zu zeigen. Er schaute auf die Uhr, runzelte ungläubig die Stirn und schüttelte das Handgelenk, als er sah, dass es vier Uhr war, denn er glaubte, die Uhr
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