Ein Hauch von Seide - Roman
bedeutete, als Euer Gnaden genannt zu werden. Doch während Amber bereit zu sein schien, ihn in der Familie willkommen zu heißen, zweifelte Dougie daran, dass Emerald ihn genauso herzlich aufnehmen würde. Sie würde alles andere als erfreut sein, wenn sie erfuhr, dass sie miteinander verwandt waren.
Bevor er etwas sagen konnte, verkündete Mr Melrose mit sichtlicher Erleichterung: »Amber, meine Liebe, das ist ein ausgezeichneter Vorschlag und ausgesprochen großzügig von Ihnen.«
Das war es, wie Dougie zugeben musste. Schließlich schuldete sie ihm im Grunde gar nichts.
»Sie müssen mir Ihre Adresse und Ihre Telefonnummer geben«, sagte Amber, »und ich gebe Ihnen unsere, dann können wir die Einzelheiten Ihres Besuchs verabreden.«
Es war jedoch zu spät, um noch einen Rückzieher zu machen, das wäre grob und unhöflich.
Draußen in der fahlen Aprilsonne stieg er auf sein Motorrad und ließ es mit dem Kickstarter an. Dem Beispiel seines Chefs folgend, hatte er sich einen robusten, aber schnittigen heißen Ofen gekauft und bald gelernt, sich damit mit hoher Geschwindigkeit durch den hektischen Londoner Verkehr zu bewegen.
»Mist!«, fluchte Ollie, als er schlaftrunken und ungläubig auf den Wecker starrte, bevor er sich wieder in die Kissen sinken ließ. Wie zum Teufel hatte er nur so verschlafen können?
Es war fast Mittag. Um zwölf wurde er in der Vogue -Redaktion zu einer letzten Besprechung erwartet, bevor er mit einem Haufen Mannequins, der Moderedakteurin, der Visagistin, diversen Redaktionsmitgliedern und ohne Zweifel zahlreichen Koffern voller Kleider nach Venedig aufbrechen sollte. Er strich über sein stoppeliges Kinn. Seine Augen fühlten sich an, als hätte ihm jemand eine Handvoll Sand hineingestreut, und sein Mund wie der Boden eines Vogelkäfigs.
Sein Hirn weigerte sich noch, wach zu werden, kam nur knarrend in Gang, wie ein asthmatisches altes Auto, das auf jede Anforderung an seinen schrottreifen Motor mit keuchendem Protest reagierte. Ausgeschlossen, dass er es bis halb eins in die Vogue -Redaktion schaffte, geschweige denn bis zwölf. Er setzte sich auf, ließ den Kopf in die Hände sinken und kniff gegen die pochenden Kopfschmerzen die Augen fest zusammen.
Er hätte in der Nacht nach dem Schinkensandwich nicht noch diese verdächtige Flasche Wein trinken sollen. Doch er hatte Durst gehabt und war in Feierstimmung gewesen, und der Wein war da gewesen. Als sich ein dünner Sonnenstrahl zögernd durch die verschossenen Vorhänge stahl, fuhr er zusammen, denn er stach ihm in den schmerzenden Augen, bevor er seinen nackten Leib honiggolden sprenkelte. Seine olivfarbene Haut wurde schnell braun, und sobald das Wetter wärmer wurde, würde er nach Brighton fahren, um ein bisschen die Sonne zu genießen und sich die Mädchen in ihren Badeanzügen anzusehen.
Viertel vor eins durch. Zum Teufel. Die Moderedakteurin von Vogue würde Hackfleisch aus ihm machen – vorrangig aus seinen Eiern. Er würde es auf keinen Fall mehr zu seinem Termin schaffen. Doch den Zug konnte er noch erwischen, wenn er direkt zum Bahnhof fuhr.
Seine Kopfschmerzen waren vergessen, und er wurde schlagartig aktiv, stieg aus dem Bett, schnappte sich die Jeans, die er zu Boden geworfen hatte, und zog einen Pullover über, bevor er zur Tür hinaus zu einem öffentlichen Fernsprecher im Flur vor den Wohnungen hastete. Er würde in der Redaktion anrufen und Bescheid sagen, dass er sich aufgrund unvorhergesehener Umstände erst am Bahnsteig mit ihnen treffen würde.
Er grinste in sich hinein, bevor er leise anfing zu pfeifen. Alles würde gut werden. Für Oliver Charters wurde immer alles gut.
12
Ella schnitt Grimassen unter dem Gewicht der Taschen, die ihre Chefin ihr zum Tragen gegeben hatte. Sie war zusammen mit drei Mannequins und der Visagistin in einem Taxi von der Redaktion zum Bahnhof gefahren, und am Ende schleppte sie nicht nur ihre eigenen Sachen, sondern half auch noch, die Koffer und Taschen ihrer Chefin und der Visagistin zu tragen.
Auf dem Bahnsteig herrschte ein chaotisches Durcheinander aus Reisenden und jenen, die gekommen waren, um sie zu verabschieden. Köpfe drehten sich herum, um die Mannequins in ihren Reise-Outfits anzustarren. Sie sollten beim Besteigen des Zuges fotografiert werden, vorausgesetzt, der Fotograf tauchte tatsächlich noch auf.
Die Moderedakteurin hatte ihren Gefühlen bezüglich seiner Abwesenheit mit einer Reihe von Flüchen Luft gemacht, die es in sich hatten, und ihre
Weitere Kostenlose Bücher