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Ein Hauch Von Sterblichkeit

Ein Hauch Von Sterblichkeit

Titel: Ein Hauch Von Sterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Granger Ann
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Ziegenstall und Jaspers Verschlag waren ein trauriges Zeugnis dessen, was einst gewesen war.
    Sie wandte sich ab und spazierte langsam zum Grund ihres eigenen langen Gartens hinunter. Im Frühjahr muss ich mich wirklich um dieses vernachlässigte Fleckchen kümmern, dachte sie. Im vergangenen Jahr hatte sie ihre Zeit für den Anbau und den Umbau der Scheune in eine Garage gebraucht. Doch im nächsten Jahr, im Frühling, würde sie hier umgraben. Die Beerensträucher waren alt und würden keine großen Erträge mehr liefern, nicht einmal dann, wenn sie ausgeputzt würden. Nein, sie würde neue anpflanzen.
    Sally verbrachte ein paar Minuten damit, im Geiste ihren neuen Beerengarten zu planen, dann wandte sie sich um und wollte zurück in Richtung Cottage.
    Auf halbem Weg, zwischen ihr und dem Haus, direkt neben einem knorrigen alten Apfelbaum, stand das Huhn.
    Sally war so verblüfft, dass sie einen leisen Aufschrei ausstieß, doch dann lachte sie erleichtert. Noch jemand, der – nach der Demonstration – vorbeigekommen war, um zu sehen, wie es ihr ging. Sie spazierte dem gelben Monster entgegen.

    »Hallo!«, rief sie.
    »Suchen Sie nach mir? Yvonne hat mich vorhin schon angerufen und berichtet, dass die Demonstration glatt verlaufen ist!«
    Das Huhn antwortete nicht. Stattdessen kam es auf Sally zu. Schweigend kam es immer näher, es war unheimlich – und so ein grotesker Anblick. Alles ganz gelb. Gelbe Arme und Beine. Gelbe Handschuhe. Nur die Füße waren nicht gelb, sondern steckten in gewöhnlichen weißen Turnschuhen.
    Etwas machte in Sallys Kopf klick. Ihr Herz stockte, und obwohl sie den Mund öffnete, war ihre Kehle wie zugeschnürt, und sie brachte keinen Laut heraus.
    Das Huhn auf der Demonstration war ganz in Gelb gekleidet gewesen. Gelbe Strümpfe in gelb angemalten Schuhen. Keine weißen Turnschuhe, nein: gelbe Schuhe! Sally sah sie deutlich vor ihrem geistigen Auge.
    Heiser stieß sie hervor:
    »Wer sind Sie? Was wollen Sie?« Das Huhn gab keinen Laut von sich. Sally hatte nicht die geringste Ahnung, wer in der Verkleidung steckte. Sie sah den Sehschlitz und meinte, ein Augenpaar dahinter zu erkennen. Unfreundliche Augen. Und erst jetzt bemerkte sie, dass das Huhn in einer gelb behandschuhten Hand ein Messer hielt. Sally erstarrte. Das konnte nicht sein! Das war bestimmt eine Nachwirkung des Schierlings. Sie hatte Halluzinationen. Drogen und Gift riefen so etwas hervor. Das Ding war monströs, bösartig und doch komisch. Wie aus einem Comicbuch entkommen. Das Huhn war jetzt so nahe, dass sie die schmuddeligen Fasern des Nylongewebes erkennen konnte, und den eigenartigen Geruch, der von ihm ausging, zusammengesetzt aus Schweiß und dem süßlichen Gestank, der aus verstopften Ausgüssen steigt. Das Monster hob den gelben Arm, und das Messer glitzerte im Sonnenlicht. Das zumindest war kein Traum. Die Erstarrung, die Sally hatte wie angewurzelt dort in ihrem Garten stehen lassen, fiel mit einem Schlag von ihr ab. Sie warf sich zur Seite, um dem vorwärts stoßenden gelben Arm auszuweichen, wollte am Huhn vorbeirennen. Das Huhn, schwerfälliger in seinen Bewegungen als sie, wirbelte herum, stieß erneut das Messer nach ihr: Die Messerspitze verfing sich in Sallys Pullover. Sally riss sich los, und brachte das Huhn ins Wanken. All der Schaumstoff und all das Nylon waren höchst hinderlich. Im Augenblick war Sally im Vorteil. Sie war schon an dem Angreifer vorbei, bevor dieser sein Gleichgewicht wieder gefunden hatte, und stürzte auf das Haus zu. Vielleicht gelang es ihr, sich einzuschließen und die Polizei zu alarmieren. Mehr konnte sie nicht tun. Bodicote war ihr einziger Nachbar gewesen, und Bodicote lebte nicht mehr. Das Huhn folgte ihr mit überraschender Geschwindigkeit. Die Verkleidung behinderte gewiss ihren Träger, aber sie konnte nicht schwer sein. Die groteske Verfolgungsjagd endete an der Küchentür, als die Kreatur Sally einholte. Sally wirbelte herum, um sich zu stellen. Sie packte den Arm, der das Messer schwang. Wem immer dieser Arm gehörte, war kräftig, und kräftiger als die von den Folgen der Vergiftung noch geschwächte Sally. Es gelang ihr nicht, den Angreifer zu entwaffnen, der ließ das Messer nicht aus der Hand fallen. Stattdessen riskierte sie es, die Hand mit der Waffe zu sich zu ziehen. Sie duckte sich unter dem Arm hindurch, ohne das Handgelenk loszulassen. Die Bewegung verursachte einen nach unten gerichteten Schwung, und das Huhn musste sich, um nicht den Griff um die

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