Ein Hauch Von Sterblichkeit
hässliche Ding sehen!« Sally grinste schwach.
»Eine Zeit lang habe ich mir eingeredet, dass es wohl nicht anders zu erwarten war. Dass es nicht allein seine Schuld war. Immerhin ist Liam ein sehr attraktiver Mann. Diese Studentinnen sind … sie sind hinter ihm her. Verständlicherweise. Und es ist sehr schwer für ihn, ständig zu widerstehen.« Meredith hätte diese Interpretation der Dinge in Frage stellen können. Vermutlich wurzelten Sallys Vorstellungen in dieser Sache in einem weiteren von Tante Emilys Glaubensgrundsätzen, nämlich dass Liam eine
»gute Partie« gewesen sei und Sally eine Menge Glück gehabt habe, ihn zu ergattern. Emily hatte dies ihrer Nichte gegenüber geäußert, und die leicht zu beeindruckende, unerfahrene, neunzehn Jahre junge Sally hatte ihr geglaubt. Sie hatte es geglaubt, selbst dann noch, als Liam sich als untreuer Ehemann und egozentrischer Tyrann herausgestellt hatte. Auf seinem Fachgebiet blieb er unbenommen eine bedeutende Persönlichkeit, zudem sah er gut aus, und obwohl andere Frauen ihn begehrten, war er Sallys Ehemann. Das war es, was sie über seine Seitensprünge hinweggetröstet hatte. Selbst jetzt noch klammerte sie sich an diesen Glauben wie ein Kind, das die Dunkelheit nicht ohne ein ganz bestimmtes Kuscheltier zu ertragen vermag – selbst wenn das längst nur noch ein zerfetztes Lumpenbündel ist. Sally bereitete sich innerlich auf eine weitere Enthüllung vor.
»Ich werde mich mit Austin zusammentun.«
»Was?!« Das war ein Schock. Doch vielleicht auch nicht. Sally war aus Tante Emilys Haus in ein Ehebett geschlüpft. Sie hatte sich niemals allein der Welt gestellt und konnte vielleicht den Gedanken nicht ertragen, es zu versuchen, nicht einmal jetzt. Sie brauchte einfach ein alternatives Sicherheitsnetz.
»Ich meine, ich werde mich geschäftlich mit Austin zusammentun, seine Partnerin werden im Auktionshaus«, präzisierte Sally.
»Nicht mehr. Das heißt, Austin hätte schon gerne mehr, er will eine Beziehung, aber ich bin nicht bereit dafür. Es wird eine Weile dauern, bis ich über Liam hinweg bin. Ich könnte keine andere Beziehung mit jemandem eingehen, noch nicht. Aber was das Geschäftliche angeht, da schon. Ich habe alles mit Austin durchgerechnet. Es ist eine gute Investition, und ich bin sehr interessiert. Ich mag die Arbeit. Ich werde jeden Tag da sein, die ganze Zeit über, und ich werde so jede Menge über das Geschäft lernen. Es ist eine ganz neue Perspektive für mich, und ich freue mich darauf.«
»Hast du … hast du Liam davon erzählt? Ich meine von deinem Plan, eine Geschäftspartnerschaft mit Austin einzugehen?«, fragte Meredith langsam. Sallys Zuversicht schwand.
»Nein. Er weiß nichts davon. Ich wollte nichts davon sagen, bevor ich mir selbst nicht sicher war. Es wird ihm nicht gefallen. Aber jetzt spielt es keine Rolle mehr, ob es ihm gefällt oder nicht.« Sie gewann ihre Selbstsicherheit wieder und strahlte Meredith an.
»Oder nicht?«
KAPITEL 17
ALS MARKBY aus Merediths Haus auf die Straße hinaustrat, fand er sich im ungleichmäßigen Flackerlicht der Straßenbeleuchtung wieder. Eine Abenddämmerung, blau wie Tinte, hatte die Kulisse für seine Ankunft geboten; jetzt war sie blauschwarzer Nacht gewichen, einem frühen Winterabend. Denn es war gerade erst – Markby sah auf seine Armbanduhr – zwanzig Minuten nach vier. Zuerst fuhr er zum Polizeirevier nach Bamford. Winter begrüßte ihn mit einer gewissen Verlegenheit.
»Der Gedanke, dass diese beiden Trottel durch das Cottage gestiefelt sind und all diese Bücher gesehen und sich nicht die Mühe gemacht haben, das zu melden! Sie dachten, dass der alte Mann wohl ein wenig merkwürdig gewesen ist«, schnarrte Winter.
»Das lässt sich wohl kaum abstreiten«, entgegnete Markby trocken. Winter druckste herum und sagte schließlich:
»Wegen der Sache mit diesem Bodicote: Ich bin alles noch einmal durchgegangen, haarklein, Sir, sämtliche Beweise, die wir dem Coroner vorgelegt haben, den Autopsiebericht, einfach alles. Es gibt nichts, das auf verdächtige Umstände schließen lässt …« Er zögerte.
»Wenn da jemand seine Finger im Spiel hatte, dann haben wir es mit einem verdammt gewieften Spieler zu tun!«
»Ja, so ist es. Ich bin allerdings nicht gekommen, um über Bodicote zu reden. Ich bin gekommen, weil ich Sie um einen Gefallen bitten möchte. Dieses Messer hier …« Markby zog den entsprechenden Gegenstand aus einer Papiertüte, die er sich bei Meredith
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