Ein Hauch Von Sterblichkeit
ausgeliehen hatte.
»Es ist ein wichtiges Beweismittel bei dem tätlichen Angriff auf Mrs. Caswell. Es muss so schnell wie möglich zur Spurensicherung. Ich fahre jetzt noch nicht zum Bezirkspräsidium, weil ich noch etwas zu erledigen habe – könnten Sie sich darum kümmern?« Winters Miene hellte sich auf. Er war froh für die Gelegenheit, das Vertrauen in sein Revier wiederherstellen zu können.
»Ich schicke gleich einen Wagen damit zum Präsidium. Haben Sie sonst noch etwas, das wir mitnehmen können?«
»Ich habe mir da ein paar Notizen gemacht.« Markby hielt Winter die herausgerissenen Seiten aus seinem Notizbuch hin.
Nachdem das Messer in sicheren Händen war, verließ Markby Bamford. An der Kreuzung, wo es links nach Oxford ging, zögerte er. Hinter ihm kam kein Fahrzeug. Also nahm er sich die Zeit, um nachzudenken, bis im Rückspiegel ein gelbes Licht aufflackerte und ihn blendete. Ein anderer Wagen kam heran und zwang Markby zu einer Entscheidung. Er bog in Richtung Oxford ab.
Er fuhr zu den Labors und schaffte es gerade noch rechtzeitig. Im Empfangsgebäude raffte der Wachhund seine Siebensachen zusammen, um Feierabend zu machen. Sie war alles andere als erfreut, Markby zu sehen.
»Dr. Caswell ist schon weg.« Ihr Tonfall deutete an, dass der arme, auf beispiellose Weise verfolgte Liam woanders Zuflucht gesucht hatte, womöglich sogar ausgewandert war.
»Das weiß ich. Ich möchte mit Miss Müller sprechen, einer seiner wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen, falls das möglich und sie noch nicht nach Hause gegangen ist.«
»Nein.«
»Noch nicht nach Hause gegangen?«
»Nein, Sie können sie nicht sprechen. Es ist nicht möglich.«
Sie fegte einen Stoß Papiere zusammen, um diesen in einen stählernen Aktenschrank zu verstauen. Den Aktenschrank schloss sie mit unnötiger Wucht und sperrte ihn ab.
»Miss Müller ist heute nicht zur Arbeit erschienen.«
»Oh, und warum nicht?«
Die Rezeptionistin sah Markby an, ein abweisender Blick.
»Ich glaube, sie hat sich nicht wohl gefühlt. Sie hat gleich heute früh angerufen und sich krank gemeldet. Wahrscheinlich hat sie wieder einen von ihren Anfällen, das arme Kind.«
»Und was für ein Anfall wäre das?«, erkundigte sich Markby höflich.
»Ich kann Ihnen versichern, Superintendent, dass Migräne absolut nicht zum Lachen ist!« Sie sah aus, als wollte sie sich jeden Augenblick auf Markby stürzen.
»Glauben Sie mir, darüber würde ich nie lachen. Ich weiß, wie übel Migräne sein kann. Würden Sie mir bitte die Adresse von Miss Müller geben?« Die Rezeptionistin war zutiefst schockiert.
»Selbstverständlich nicht! Ich würde niemals die Anschrift einer unserer Mitarbeiterinnen herausgeben – jedenfalls nicht an einen Mann!« Markby lächelte sie an.
»Sehr lobenswert! Aber ich bin nicht irgendein Mann, sondern ein Polizeibeamter, und da verhält sich die Sache ein wenig anders. Mein Wunsch, Miss Müller zu sprechen, ist rein dienstlicher Natur und steht in Zusammenhang mit einer Ermittlung.« Sie gehörte zu denen, die sich auf ihrem Posten lieber töten ließen, als die Verteidigung desselben aufzugeben.
»Sie können sie jetzt nicht besuchen! Sie ist krank; sie hat Migräne. Ich habe es Ihnen doch gerade erklärt. Sie haben doch wohl nicht vor, die arme junge Frau zu belästigen, wenn sie krank im Bett liegt?«
»Hören Sie, Mrs. …«, Markby konsultierte das Namensschild auf ihrem Schreibtisch, »Mrs. Worral, diese Entscheidung habe ich zu treffen. Von Ihnen möchte ich nichts weiter als die Anschrift. Und zwar jetzt gleich, bitte sehr!« Sie räumte ihre Niederlage ein, aber nicht, ohne einen letzten Streich zu führen.
»Das gefällt mir nicht. Ich werde es gleich morgen früh Dr. Caswell berichten. Es ist höchst ungewöhnlich.« Sie wartete, um zu sehen, ob diese letzte Drohung vielleicht Wirkung zeitigte. Das war nicht der Fall. Unter neuerlichem Seufzen öffnete sie einen der stählernen Aktenschränke und nahm einen Hefter hervor. Sie blätterte durch die Seiten, fand, wonach sie gesucht hatte und kritzelte eine Anschrift auf einen Notizblock.
»Hier ist sie.« Sie riss das Blatt schwungvoll ab und reichte es Markby.
»Für den Fall, dass Sie trotz allem, was ich Ihnen gesagt habe, heute Abend noch vorhaben, Miss Müller zu besuchen – es ist reichlich spät, finden Sie nicht? Selbst für Polizeiermittlungen?« In der letzten Frage schwang ein definitiv hässlicher Unterton mit. Sie verglich ihn mit einem dieser
Weitere Kostenlose Bücher