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Ein Haus für vier Schwestern

Ein Haus für vier Schwestern

Titel: Ein Haus für vier Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgia Bockoven
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fragte, wie es mir ginge. »Wie zum Teufel konnte das nur geschehen?«, war meine Antwort. Ich hätte nicht brüllen sollen, denn das bestimmte den Tonfall des Gesprächs. Sie wurde ganz steif.
    »Was erlaubst du dir, mich so anzuschreien?«
    »Verdammt noch mal, Denise. Das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Wo ist Frank?«
    »Fort. Du hast ihn verpasst.« Ich schwöre, sie hätte fast dabei gelächelt, überlegte es sich aber im letzten Augenblick anders. »Ich habe dir geschrieben, dass nicht viel Zeit bleibt.«
    »Was soll das heißen – fort?« Ich wollte nicht später herausfinden müssen, dass er nur bei einem Freund war.
    »Auf dem Schiff.«
    Diese Worte schlugen wie Kugeln in meiner Seele ein. Ich musste fragen, obwohl ich die Antwort kannte. »Wohin?«
    »Vietnam.«
    Männer überlebten Kriege. So wie ich. Aber viele kamen nie zurück. Manche starben aufgrund von blöden Fehlern, manche waren zur falschen Zeit am falschen Ort, manche fielen einfach.
    »Er ist erst siebzehn. Sie hätten ihn ohne Erlaubnis der Eltern nicht genommen.«
    »Er wollte es unbedingt. Ich hatte keinen Grund, ihm die Erlaubnis zu verweigern.«
    Ich donnerte mit meiner Faust auf den Holzrahmen des Fliegengitters. Es splitterte. Denise sprang zurück, der zufriedene Gesichtsausdruck war wie weggewischt. »Wenn ihm etwas passiert, trägst du die Verantwortung dafür.«
    »Ich?«, schrie sie. »Du und nur du allein bist der Grund, warum er sich freiwillig gemeldet hat. Er dachte, das könnte ihm deine Aufmerksamkeit sichern. Er wollte, dass du stolz auf ihn bist.«
    Sie schnaubte verächtlich.
    »Ich bin doch stolz auf ihn. Das war ich immer.«
    »Und woher sollte er das wissen? Du hast ihn und Elizabeth seit über fünf Monaten nicht gesehen. Und davor drei Monate nicht. Sie wussten nicht, wo du steckst. Du hast nicht angerufen und nicht geschrieben. Was sollten sie denn denken?«
    Ich verteidigte mich nicht gegen ihre Anschuldigungen, von denen wir beide wussten, dass sie nicht stimmten. Ich hatte versucht, meine Firma vor dem Ruin zu bewahren. Ich hatte gedacht, Frank und Lizzy würden dafür Verständnis haben und ich könnte es im Sommer wiedergutmachen. Manche Menschen lernen ihre Lektionen langsam, und manche bekommen es auf die harte Tour beigebracht. Nichts in meinem Leben hatte mich bisher tiefer getroffen.
    »Wo steckt Lizzy?«
    »Sie ist nicht zu Hause.«
    »Ich möchte sie sehen.«
    »Sie möchte dich aber nicht sehen.«
    »Seit wann?«
    »Seit Frank weg ist. Sie macht dich dafür verantwortlich.«
    »Dann muss ich mit ihr reden.«
    »Das geht nicht.«
    Damit ich nicht völlig ausrastete, riss ich den Rest des Fliegengitters aus den Angeln. »Warum nicht?«
    »Sie ist bei meinem Vater und meiner Mutter in Texas.«
    Genauso gut hätte Elizabeth auf dem Mond sein können. »Warum ist sie nicht in der Schule.«
    »Sie ist in der Schule – in Texas.« Sie hielt ihre Hand hoch und zeigte mir einen Diamantring. »Ich habe geheiratet. Mama hat angeboten, Elizabeth ein paar Monate bei sich aufzunehmen, bis Harry und ich uns eingerichtet haben.«
    »Wann kommt sie zurück?«
    »Wir fahren Weihnachten hin. Danach kommt sie mit uns zurück.«
    »Ich werde nicht so lange darauf warten, sie zu sehen.«
    »Du weißt, was mein Vater von dir hält. Sobald du einen Fuß auf seinen Boden setzt, lässt er dich ins Gefängnis werfen – vielleicht erschießt er dich auch gleich. Dort anzurufen, kannst du gleich vergessen. Sie werden dich nicht mit ihr sprechen lassen.«
    Vor zwanzig Jahren hätte die Drohung vielleicht gewirkt. Doch inzwischen hatte ich viele Männer in Yokum County reich gemacht. Ich rechnete mir aus, am längeren Hebel zu sitzen. Ich musste nur vorher klären, was in Kalifornien geschehen würde, wenn ich nach Texas ging und Lizzy mit zu mir nahm.
    Ich habe es nie herausgefunden. Am selben Tag, an dem ich wegen Lizzy einen Termin beim Anwalt hatte, rief Denise mich an und teilte mir mit, dass Frank gefallen sei. Er war noch nicht mal zwei Tage dort gewesen. Er starb nicht im Dschungel, nicht in einer der Schlachten, die sie im Fernsehen zeigen. Nein, er war gerade in einem Versorgungszelt, als eine sechzehnjährige Vietnamesin eine Handgranate warf. Sie, Frank und sieben andere Männer starben bei dem Anschlag.
    In jener Nacht lag ich auf meinen Knien und betete, wie ich nie zuvor gebetet hatte. Ich hatte immer geglaubt, was ich als Kind gelernt hatte: Alles war Gottes Wille und Sein Wille geschehe. Er hatte mir

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