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Ein Haus in Italien

Ein Haus in Italien

Titel: Ein Haus in Italien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa St Aubin de Terán
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Gekaufte und eine große Vorliebe für Tauschhandel. Essen und Tradition sind untrennbar verknüpft. Das einzig Gute, was für die Orsolani von außerhalb ihres Dorfes kommen kann, sind Menschen.

8. Kapitel
    M ein Kindertraum einer Schlafzimmer-Reise nach Jerusalem wurde wahr. Ich war einen Sommer lang widerwillige Patientin eines Londoner Kinderkrankenhauses gewesen. Dort lag ich, durch Infusionen und Schläuche an ein Bett zwischen vielen gefesselt, und las Orlando. Seither sehnte ich mich nach einem Haus, in dem ich von Zimmer zu Zimmer streifen und nach Belieben auf unbekanntem Terrain würde schlafen können. Nun wanderte unsere Matratze und die sie begleitende Plastikplane auf der Suche nach einem Ruheplatz durch die ganze Villa. Während des Sommers zogen Robbie und ich immer wieder um, beschränkten aber unser Umherziehen auf jeweils einen Teil des Hauses.
    Die vordere Hausfassade, die zugleich die verzierteste war, ging nach Norden, und die Nordseite der Villa war von Zypressen gesäumt. Dies hatte mich zunächst enttäuscht, da in meiner Kindheit geradezu ein Kult um Südfenster getrieben worden war, doch als die Temperaturen jeden Tag auf 40 Grad hochschossen, erwies sich die Nordseite als der beste Ort, der brütenden Hitze zu entfliehen. Von der Südseite der Villa ging der Blick über einen Weinberg hinunter auf die Steinhäuser unserer Nachbarn. Bis Mitte Juli hatten wir fast alle Zimmer ausprobiert, warm und kalt, groß und klein, hatten mit ihnen geliebäugelt und waren dann weitergezogen. Wenn ich ein vielversprechendes Zimmergerippe fand, stellte ich jedesmal ein Regalbrett voll Nippes auf, das auf zwei aus Imolos eifersüchtig bewachtem Lager gestohlenen Ter
rakottasteinen balancierte. Zu dem Nippes auf dem Brett stellte ich Fotos und Bücher. Ich verschönte unsere Matratze mit einem viktorianischen Überwurf und venezianischen Brokatkissen, pflückte eine Vase Wiesenblumen, Heckenrosen oder Ginster, um mich dort heimisch zu fühlen. Die Schwalben waren vor uns da, sie hatten sich umgehend ihre Zimmer ausgesucht und mit dem Nestbau begonnen. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang schossen sie durch die unverglasten Fensteröffnungen hinein und hinaus und besprenkelten alles mit ihrem Kot. Nachts, wenn wir im Bett lagen, kamen statt ihrer Dutzende von Fledermäusen. Ich mußte mir immer wieder gut zureden, daß Fledermäuse ein unfehlbares Radarsystem haben, denn sie zischten so dicht an meinem Gesicht auf dem Kissen vorbei, daß sie sich jeden Moment in meinen Haaren zu verfangen drohten. In den Nächten, in denen offenbar Fledermaus-Konferenzen stattfanden und größere Fledermaus-Geschwader als sonst das Zimmer heimsuchten, schlief ich mit einem Laken über dem Kopf.
    Da Privatsphäre der Vergangenheit angehörte, wurden wir häufig von Imolo geweckt, der bereits um sechs kam, um mit mir eine erste Runde zu machen, bevor die Arbeiter eintrafen. Er sagte mir, es bringe Unglück, mit bedecktem Gesicht zu schlafen, aber aufgrund der bedrohlichen Fledermäuse, Mücken und manchmal Hornissen mußte ich seine Warnungen ignorieren. Die Hornissen kontrollierten die nordwestliche Ecke des zweiten sowie den gesamten dritten Stock, wo sie blieben, bis Imolo Gigi zwang, sie auszuräuchern.
    Dieser Vergeltungsangriff vor Morgengrauen war kein hundertprozentiger Erfolg. Von unserem Lauschposten unter dem betreffenden Zimmer, in dem ein Hornissennest von
der Größe einer Geige an der hohen Decke hing, konnten wir hören, wie Imolo den Chef machte und einen bockigen Gigi ausschimpfte, der nicht mit einer brennenden Fackel die hohe Stehleiter hinaufklettern wollte.
    »Nun mach schon, Gigi. Dio buono , es sind nur Insekten, sie werden dich nicht auffressen, es sind, also es sind keine Schlangen, weißt du, es sind keine Tiger.«
    »Imolo, es sind Hornissen, und sie werden mich stechen.«
    »Erzähl mir nicht, daß du vor Hornissen Angst hast!«
    »Ich habe vor Hornissen Angst, Imolo. Warum kletterst du nicht auf die Leiter, und ich halte sie?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Nein.«
    »Du hast also auch Angst vor Hornissen.«
    »Hör mal, Gigi, jetzt mach dich da hoch, Mann, wir haben heute noch viel zu tun. Ich kann nicht den ganzen Tag hier stehen und darauf warten, daß du deinen Mut zusammenkratzt.«
    »Aber warum ich, Imolo?«
    »Bé!«
    Dem folgte ein lautstarker Abstieg, Kichern, ein erneuter Aufstieg, eine Wiederholung des Dialogs und dann eine Neuauflage des gesamten Ablaufs. Beim dritten Versuch

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