Ein Haus in Italien
prägenden Jahre auf einer Zuckerrohrplantage in Venezuela verbracht hat, verbrachte Allie diese Jahre im Zug. Er ist das einzige meiner Kinder, das mich ganz durch eine Phase jener Sucht nach rastloser Bewegung hindurchbegleitet hat, der ich gelegentlich anheimfalle. Daher ist er Umherziehen gewöhnt und hält Betten im Grunde immer noch für unnumerierte Schlafwagenplätze.
Unser ursprünglicher Plan, wonach er mit den Beauties im Erdgeschoß hätte wohnen sollen, war gescheitert. Wir hatten die nahezu lückenlose Abwesenheit der Beauties nicht in Betracht gezogen. Die Discos dröhnten bis morgens drei, und die Pizzerien besorgten das après -Disco-Geschäft bis vier oder fünf Uhr, so daß ihr Tagesablauf schlecht zu dem eines Babysitters paßte. Bei unseren früheren Versuchen, Kindermädchen zu engagieren, hatten wir einige beispiellose Pleiten erlebt und daraus die einfache Lehre gezogen, daß zwei Au-pair-Mädchen besser seien als eines. Wir hatten in der Vergangenheit (wenn auch nur kurz) mit Helferinnen zusammengewohnt, die dermaßen verstört waren, daß niemand mit ihnen hätte zusammenwohnen können. Daraus folgerten wir, wenn ein Mädchen schon eine Freundin hatte, die bereit war,
mit ihr ins Ausland zu gehen, dort zu wohnen und zu arbeiten, konnte keine der beiden völlig unmöglich oder verrückt sein. Die Beauties waren wirklich außergewöhnlich reizende Mädchen, und da ihre Hauptaufgabe darin bestand, mich bei den seltenen Gelegenheiten zu vertreten, wenn ich verreisen mußte, fanden wir ihr schonungsloses Geselligkeitsleben, solange ich da war, nicht allzu beunruhigend.
Imolo, Allies eifersüchtiger Beschützer, stellte mich wegen der Pflichten der Beauties zur Rede und rügte mich, daß ich mein Haus nicht in Ordnung hielte. Ich kannte die Beauties inzwischen gut genug, um ihnen zu vertrauen und zu wissen, daß sie in meiner Abwesenheit kein Whiskey-Wetttrinken veranstalteten und daß sie auch vor Mittag aufstanden, wenn ich fort war. Imolo quittierte diesen speziellen Aspekt unseres häuslichen Arrangements mit sehr viel Kopfschütteln. Das Kind Iseult erzählte ihm einmal, die Beauties seien Engel, verglichen mit einigen Exemplaren, die wir in der Vergangenheit in unseren menschlichen Zoo aufgenommen hätten. Dies beruhigte ihn allerdings keineswegs, sondern machte ihn nur noch besorgter, wer und was sich um seinen kleinen Allie kümmern durfte.
Imolo holte mich weiterhin jeden Morgen früh aus dem Bett. Er zeigte mir eine besondere wilde Orchidee, die ersten Krokusse, ein Finkennest. Wenn es gar nichts anderes gab, weckte er mich, um mir ein Stück Kuchen und eine Plastiktasse mit selbstgemachtem Trockenbeerenwein anzubieten. Welchen Grund er auch haben mochte, binnen Minuten nach Ankunft der Arbeiter wurde ich herbeizitiert, und ein Teil eines jeden Tages von Montag bis Freitag verbrachte ich damit, hinter Imolo und seiner Maurermeute herzutrudeln.
Das Kind Iseult bewohnte ein relativ kleines Zimmer im
zweiten Stock am Ende der Haupttreppe. Sie hatte diesen Raum bei der Ankunft gewählt, zog nicht um und wollte nicht tauschen, und sie mag ihn immer noch besonders gern. In gewisser Weise war es das am wenigsten bewohnbare Zimmer, drei von vier Wänden hatten tiefe Risse, die Decke war kaum der Rede wert. Das wenige, was wir anderen besaßen, zog es magisch in das Zimmer des Kindes, ausgeborgt und dann verloren unter den sich auftürmenden Halden aus Kleidern, Kram, Zeitschriften und den ewigen Gesichtsmasken. In unregelmäßigen Abständen verwandelte das Kind das unsägliche Chaos seines Zimmers in einen Schrein unbefleckter Reinheit und Ordnung. Daß ein solcher Tag sie erwischt hatte, war klar, wenn ihr Haar als Knoten auf dem Kopf zu liegen kam, festgehalten von einer Zahnbürste. Dann raffte sie ihre Kleider, rollte die Ärmel hoch und kam zur Sache. Diese Sache nahm sie ebenso ernst wie ihr Vergnügen. An diesen Tagen hatte sie so extreme Vorstellungen von Hygiene und Ordnung, daß ein italienischer Haushalt daneben fast schlampig wirkte. Dies mag wie ein Widerspruch in sich klingen, aber so war es. Jeder Gegenstand in ihrem Zimmer wurde geschrubbt, desinfiziert und gewienert. In Venedig hatte sie, wenn diese Arbeitsattacken sie heimsuchten, die Sprungfedern ihres Bettes poliert. Alles, was auch nur im entferntesten angeschmuddelt wirkte, wurde fortgeworfen. Dazu gehörten leider in aller Regel auch all jene kleinen, abhanden gekommenen Dinge, die mir, Robbie oder Allie so teuer
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