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Ein Haus in Italien

Ein Haus in Italien

Titel: Ein Haus in Italien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa St Aubin de Terán
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solche Tomatenschwemme gibt, daß niemand weiß, was man damit tun soll, außer sie mit Knoblauch, Basilikum und Olivenöl einzumachen.
    Olivenöl fängt an, uns zu schmecken.«
    Ihr Stehvermögen bei den Weinproben in den klammen Cantinas war legendär; von allen Seiten kamen Einladungen für die stämmigen Beauties, Weinkeller zu inspizieren, außerdem die zu Zöpfen geflochtenen Zwiebeln, die Pilze und Walnüsse, die eingemacht, eingelegt und auf derben Regalbrettern gelagert waren. Sie sprachen von Quittengelee und von Kastanienhonig mit seinem leicht bitteren Geschmack. Wenn sie sich in den Cantinas des Dorfes vollgestopft hatten, kehrten sie jedesmal mit dem festen Entschluß zurück, Diät zu halten und bis zur Disco des folgenden Abends mehrere Pfund abzunehmen. Folglich waren Brot und Kohlehydrate immer das letzte, woran sie dachten, wenn sie mit ihren Einkaufslisten loszogen, um unsere tägliche Ration zu besorgen.
    Da das Kind Iseult und ich den Pfad schon so oft bei brütender Hitze hin- und zurückgetrottet waren, hatten wir keine Lust, hinter ihnen herzugehen, um unser Brot zu holen. Jede Mittagszeit hofften wir wieder, trotz besseren Wissens, und aßen draußen im Schutt von unserer Karotischdecke schließlich doch wieder dürftige, mit Cracker servierte Mahlzeiten.
    Unterdessen kannten die Beauties die jeweiligen Vorzüge einer jeden Cantina, auch der von Imolo und den anderen Arbeitern. Sie probierten den Wein vom Vorjahr, den zu Essig gewordenen Tropfen des Jahres davor und den süßen, starken vin santo , der aus Trockenbeeren gemacht wird. Nachdem sie die Arbeiter anfangs geschnitten hatten, freundeten
sie sich aufgrund ihrer Saufkumpanei mit den Eltern und Großeltern dann doch mit ihnen an und plapperten in ihrem Pidgin-Italienisch vergnügt über Cantinas.
    Wenn Imolo sich nach den Beauties erkundigte, antworteten wir jedesmal entnervt, sie seien unten in den Cantinas, und glücklich warf er den Kopf zurück.
    Als er bemerkte, daß wir uns praktisch von Crackern ernährten, lobte er das Brot der Gegend ohne Ende. »Die Mädchen sollen euch welches kaufen«, sagte er immer wieder, als ob das Leben so einfach wäre. Er riet, und wir warteten hungrig. Umbrisches Brot hat, wie seine toskanische Entsprechung, einige recht erstaunliche Eigenschaften, nicht zuletzt die Fähigkeit, binnen weniger Stunden granithart zu werden. Wir entdeckten, daß es auch hervorragendes Brennmaterial abgab und pro Kilolaib im Schnitt zwanzig Minuten lang rauch- und geruchlos brannte.
    Imolo, der nie kocht, aber zu allen kulinarischen Fragen seinen Senf zu geben hat und auch gibt, da er instinktiv alles besser zuzubereiten weiß als seine Frau oder ich, sagte, ich solle aus unserem altbackenen Brot panzonella machen, eine ortsübliche Köstlichkeit und früher das Grundnahrungsmittel vieler Orsolani. Panzonella mit ihren rohen Zwiebelstücken, die in Öl mit durchweichtem Brot schwimmen, ist nicht jedermanns Sache, aber es hat etwas Nostalgisches, das sich nicht vermitteln läßt, es ist wie Gerichte aus der Kindheit: Kartoffelpüree mit Haschee oder Griesbrei mit Butterauge und Zucker und Zimt.
    Mitte Juni waren wir zu einem Kompromiß gekommen: Die Mädchen gingen ins Dorf, als würden sie Brot holen, und wir lernten, ciaccia zu machen, ein flaches Sauerteigbrot, das auf der Glut gebacken wird. Diese dicken Pittabrote schmec
ken sehr gut zu dem rohen Schinken und dem frischen Pecorino, die wir von den sardischen Schäfern weiter oben am Hang kauften. Der Zementstaubschleier, der inzwischen alles, uns eingeschlossen, bedeckte, förderte weder Geschmack noch Konsistenz, aber wir gewöhnten uns daran. Unser Salat wurde uns täglich von den Arbeitern und deren Ehefrauen mitgebracht. Es war die Saison des insalata di campo , einer Angelegenheit, die ganz Italien beschäftigt. Komplette Dörfer, die bäuchlings durch Gräben kriechen, sind nicht, wie man zunächst meinen sollte, betrunken, verrückt oder halluzinogenen Pilzen auf der Spur, sondern sie drehen und wenden jeden Grashalm, um den wilden Salat zu entdecken, der auch dort wächst. Junge wie Alte suchen den ganzen März, April, Mai, bis in den Juni hinein den aromatischen marroncello , und auch grospignoli, radicchio, raponcioli und ginestrella. Expertenhände kriegen ragaggioli, lattughina und rucola zu fassen. Einiges davon kann man auch auf Märkten finden, aber die Orsolani halten die Sorten ihrer Gegend für die besten. Es herrscht tiefes Mißtrauen gegen alles

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