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Ein Haus in Italien

Ein Haus in Italien

Titel: Ein Haus in Italien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa St Aubin de Terán
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wurde der Dialog durch einen Schwall von Gotteslästerungen und einige erstickte Klagelaute unterbrochen. Aus dem Geräusch der Schritte, die durchs Haus rannten, schloß ich, daß die Hornissen, angesengt und zutiefst verstört, ihren Angreifern in gnadenloser Verfolgungsjagd nachsetzten.
    Die ältere der irischen Beauties vertraute mir an, sie sei gegen Wespenstiche allergisch und würde vermutlich sterben,
wenn eine Hornisse sie stäche. Noch Wochen nach dem Massaker war kein Ort in der Villa vor wütenden Insekten sicher. Zweimal täglich, bei Morgengrauen und unmittelbar nach Sonnenuntergang, patroullierte ich durch die Zimmer, mit einem chinesischen Pantoffel bewaffnet, brachte Tod und Vernichtung über die vermaledeiten Tiere, klatschte sie als fünf Zentimeter lange Giftstreifen gegen die nackte Wand. Gelegentlich attackierte mich eine besonders mutige oder wütende Hornisse, ich rannte fort, sie verfolgte mich wie ein Kamikazeflieger und zwang mich, unter einer Decke Zuflucht zu suchen, manchmal eine halbe Stunde lang.
    Das Haus wimmelte vor Eindringlingen. Einmal fanden wir beim Aufwachen einen Elektriker auf unserem Schlafzimmerboden liegend vor, der die Putzbrocken um unsere Matratze mit weißer Farbe markierte. Als ich ihn anstarrte, als wollte ich sagen, Also bitte, das ist doch wohl eine Verletzung unserer Privatsphäre, also bitte, wir wahren doch wohl wenigstens den Schein und kommen nicht durch die offene Tür? starrte er unverwandt und mit gewinnendem Lächeln zurück, nickte »Buon dì« und widmete sich wieder seinen Markierungen. An einem Zimmer Interesse zu zeigen reichte, um es interessant zu machen, der Bautrupp folgte der Anziehung und ließ sich nieder wie eine unvermeidbare Staubwolke. Aber die unsichtbare Barriere der Türschwellen hielt meist stand, und das Zimmer wurde erst besetzt, wenn wir es morgens verließen.
    Robbie und ich wurden durch die Geräusche einer wortreichen Versammlung geweckt, die wenige Zentimeter neben unserer Schlafzimmertür stattfand, hätte es eine Schlafzimmertür gegeben. Gleich wurden Pläne ausgeheckt, den keuchenden Schreiner hochzuholen, damit er vor allen ande
ren Türen diese hier anfertigte, die Fenster auszumessen und die Läden zu bestellen, außerdem die Wände verputzen, den Estrich legen und in jedem denkbaren Winkel des Raums eine Steckdose installieren zu lassen, um nicht nur für die High-Tech-Landschaft eines jeden hochmodernen italienischen Haushalts, sondern auch für die Eventualitäten des einundzwanzigsten Jahrhunderts gerüstet zu sein. Bei Einbruch der Dunkelheit hatte sich das von uns erwählte Zimmer durch einen Prozeß trockener Osmose mit Werkzeugen, Gipssäcken, Eimern voller Marmorstaub sowie Plastikrohrrollen gefüllt. Wir schliefen den ruhelosen Schlaf gesetzwidrig eingedrungener Landstreicher.
    Um sieben Uhr trampelte Lärm in unsere Richtung, dessen Lautstärke und Vielfalt einen Wanderzirkus vermuten ließen. Binnen Sekunden war er bei uns, verharrte an der klaffenden Türöffnung zu unserem provisorischen Schlafzimmer, dann verkündete Imolo mit der gleichen Dezibelzahl, mit der er auch vom Parterre zum Turm hinaufrief: »Lisa, komm und sieh dir was an!«
    Imolos Vorstellung von »etwas« konnte einfach alles sein. An einem Tag war es der Fund eines weiteren, bislang unentdeckten Stapels der Originalterrakotta, die wir für die Fassade brauchten. An einem Tag war es die Entdeckung eines Skorpionnestes unter einem lockeren Stein auf der hinteren Treppe. Manchmal war es das Finden eines Fehlers in unserem Restaurierungsplan, manchmal nur eine Finte. Und manchmal holte Imolo mich aus dem Bett, damit ich die rosa Sonnenflecken bewunderte, die in den Bergsenken lagen und das Grün hervorhoben, das für Umbrien so typisch ist. Imolo liebte den Gipfel eines Berges hinter dem Haus in Richtung eines Ortes namens Zeno Poggio. Ich beobachtete, wie
er ihn hingerissen anschaute und wie sich der Schleier ständiger Trauer, der auf seinem Gesicht lag, hob.
    Mit dem Voranschreiten des Sommers wurde Allie für Imolo zu einem neuen Zeno Poggio, was bedeutete, daß Allie mit seiner Ankunft in San Orsola einen Schutzengel bekommen hatte. Er verbrachte seine Tage damit, Imolo und Gigi zu »helfen«, die Spätnachmittage verbrachte er im Dorf, wo er Karten- und andere Spiele lernte, und die Nächte verbrachte er in irgendeinem Schlafzimmer, das in Hörweite des unseren lag, je nachdem, wo wir uns gerade aufhielten. Während das Kind Iseult seine

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