Ein Haus in Italien
waren. Bücher mit Eselsohren landeten im schwarzen Müllsack, es folgten Kleider, die zerrissen oder abgetragen waren, im Grunde mußte alles fort, was nicht wirklich perfekt war oder auch nur ästhetisch nicht genügte, ungeachtet seines Wertes, seiner Nützlichkeit oder seiner sentimentalen Bedeutung.
Wenn das Zimmer fertig war, ertrug sie es nicht, es zu besudeln, und zögerte, ihr Bett zu zerknautschen oder ihre Sachen mit Fingerabdrücken zu beflecken.
War ihr Tatendrang auf Hochtouren, schwappte er meist von ihrem Zimmer auf andere über, die sie mit der gleichen verbissenen Hingabe attackierte. Erschien das halbnackte Kind mit einer Zahnbürste im langen Lockenhaar in der Küche, gab es keinen Frieden für niemand. Sie schrubbte auf allen vieren den Fußboden, lachte über ihren eigenen Fanatismus, ließ sich aber nicht abhalten. Sie führte einen zeitweiligen Vernichtungsfeldzug gegen Staub und Unordnung. Erlahmte ihr Tatendrang, bevor ihre Aufgabe beendet war, sah der Raum mitunter aus, als sei er von einem Wirbelsturm heimgesucht worden. Hielt ihr Tatendrang an, hatte das Zimmer am Schluß einen sterilen, makellosen Designer-Look, und sie war zutiefst beleidigt, wenn jemand den Versuch wagte, es zu benutzen. In der übrigen Zeit trieben ihre Unachtsamkeit und Schlampigkeit den Rest der Familie an den Rand der Verzweiflung. Überall hinterließ sie eine Spur aus Essen, Kleidern und Kosmetika. Der Slum war nie weit entfernt.
Imolo begann, den Beauties und dem Kind Iseult wegen ihres gemeinsamen Hangs zu chaotischer Unordnung Vorträge zu halten. Sie verwirrten ihn zutiefst, aber er fand ihre Überspanntheiten charmant. Er sprach von ihnen so liebevoll, als handele es sich um seltene Tiere, die er noch nie gesehen hatte, nun aber mit Neugier beobachtete. Als er versuchte, sie für die Feinheiten seiner Bauarbeiten zu interessieren und damit keinen Erfolg hatte, schien es ihn nicht zu kümmern. Er hatte Allies ungeteilte und ständige Aufmerksamkeit und war daher bereit, auf das Interesse der Mädchen zu verzichten.
Wen er wirklich unbedingt rekrutieren wollte, war Robbie. Jeden Abend, wenn Robbie sich fein machte, um in Reginas Bar hinunterzugehen, bombardierte Imolo ihn mit aufgesparten Fragen. Dies geschah mit solcher Regelmäßigkeit, daß die letzten Etappen von Robbies Umkleiden Züge eines höfischen Rituals annahmen. Imolo, Allies Hand umklammernd, lehnte in der Tür, ich war zugegen, um zu übersetzen, während Robbie seinen abtrennbaren Kragen einknöpfte, seine Fliege band, seine Manschettenknöpfe zumachte, aus seiner beachtlichen Westenkollektion eine auswählte und schließlich seine Taschenuhr, an deren Kettenende ein ovaler Lapislazuli hing, an der Weste befestigte. Imolo beobachtete das alles verzückt, vom unfertigen Zustand des Raums, in dem wir uns jeweils befanden, mit seinem festsitzenden Zementstaub und den gesprungenen Wänden, wandte er sich dieser Erscheinung der Jahrhundertwende zu.
Es störte nicht nur Imolo, sondern das ganze Dorf, daß wir kein Auto hatten. Uns störte es auch. Darum herrschte allgemeine Erleichterung, als Robbies silberner Panther, nach einer Zeit der Krankheit und Rekonvaleszenz in Siena, uns schließlich nach Umbrien folgte. Es war für unsere Nachbarn ein nicht versiegender Quell der Erheiterung, mit anzusehen, wie sich nicht nur die gesamte Familie, sondern noch bis zu zwei Freunde aus diesem vermeintlich winzigen Zweisitzer herausfalteten. Wir paßten hinein wie Puzzlestücke. Nach der Ankunft des Wagens war jeder noch verbliebene Zweifel zerstreut, ob Robbie eine Größe war, mit der man würde rechnen müssen. Imolo verkündete, er sei forte , ein Lob, das bis dahin seiner bevorzugten Fußballmannschaft, dem AC Milan, vorbehalten gewesen war, und er verdoppelte seine Bemühungen, Robbie für sich zu gewinnen.
Nach einigen heiklen Verhandlungen, die Männersolidarität und Realität in Einklang bringen mußten, kamen wir zu einem Kompromiß. Robbie wurde zu einer wöchentlichen Inspektionstour verdonnert, und als sei er ein Facharzt auf Visite, wurden die schwierigsten Fälle für ihn aufgespart, und sein Wille wurde Gesetz. Bei gravierenderen Meinungsverschiedenheiten verfügte ich über die alles entscheidende Waffe der Übersetzung, die ich mit einer gewissen Unverfrorenheit handhabte, indem ich gelegentlich hier etwas ausließ und dort etwas ausschmückte, um genau die Entscheidung zu erreichen, die mir paßte.
Mit dem Beginn dieser wöchentlichen
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