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Ein Haus in Italien

Ein Haus in Italien

Titel: Ein Haus in Italien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa St Aubin de Terán
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von seinem Zimmer und den Fortschritten beim Entrümpeln des Hauses. Und Imolo war begeistert von Allie. Als die Arbeit des Tages zu Ende war, bat er, ihn mit ins Dorf nehmen zu dürfen.
    » Sembra un' angelo «, wiederholte er ständig, und dieser
Vergleich mit einem Engel machte meinen sehr schüchternen Sohn ausnahmsweise nicht verlegen. Wie sich zeigte, kurierte San Orsola seine Schüchternheit. Imolo nahm ihn unter seine Fittiche, weihte ihn in die Geheimnisse von feuchtem Zement und Senkblei ein, lehrte ihn den örtlichen Dialekt und wie man ein unschlagbarer briscola -Spieler wird. Imolo führte ihn stolz einer Familie nach der anderen vor, gab mit Allies perfektem Italienisch an, damit, wie schnell er sich den Castellano-Dialekt mit allen Orsolani-Besonderheiten aneignete, und mit seiner Begabung für Zahlen, seinen goldblonden Locken und seinen Matrosenanzügen. Allies Charme bereitete uns den Weg ins Herz des Dorfes. Nur nette Eltern konnten so ein nettes Kind haben. Unser scheinbarer Mangel an Ehrbarkeit war vergeben, und die kleine Welt von San Orsola öffnete sich uns in einer Weise, wie wir es nie zu hoffen gewagt hatten.
    Das Kind Iseult hatte sich schon seinen Platz auf dem Rücksitz manch eines Mopeds gesichert. Es hatte sich mit dem Sohn des sardischen Schäfers weiter oben am Berg angefreundet und verbrachte ihre Nächte in Discos mit einer Horde Teenager aus dem Dorf, mit denen sie im Konvoi über umbrisches Land von einer glitzernden Tanzfläche zur nächsten fuhr. Diese Fahrten und ihre neuen Freunde teilte sie mit den irischen Beauties, und die drei verbrachten ihre Nachmittage mit exzessiven Vorbereitungen auf den bevorstehenden Abend.
    In diesem konservativen Landstrich mit vielköpfigen Familien und intakten Ehen landeten wir wie von einem anderen Stern. Unsere Familie bestand aus lauter Frauen und Kindern. Die Beauties wurden in der örtlichen Saga rasch zu entfernten Cousinen, da »Au-pair« hier etwas völlig Un
bekanntes war. Unsere Nachbarn fanden es bizarr, Babysitter zu bezahlen; das auf einem Campingplatz zu tun, egal, wie pompös der war, fanden sie absurd. Um uns weitere Verwirrung und komplizierte Erklärungen zu ersparen, woher wir uns kannten (über die Anzeigenseiten der Zeitschrift The Lady ), ließen wir es bei Verwandtschaft bewenden.
    Die größte Verwirrung entstand bei den Versuchen, das Kind Iseult und mich auseinanderzuhalten. Wir sind uns ähnlich genug, um (bei schwachem Licht oder Sehvermögen) verwechselt zu werden. Dies führte zu zahllosen Mißverständnissen. Warum ging Allies Mutter bis in den frühen Morgen tanzen? Und warum tobte sie mit diesen halbwüchsigen Burschen durch die Gegend?
    Unser vermutlich schlimmstes Verbrechen gegen Sitte und Anstand kam durch Ämterroutine ans Licht. Italien ist ein Land der Bürokratie. Nichts kann getan, installiert, angeschlossen oder überwiesen werden, ohne daß zuvor Formulare in doppelter und dreifacher Ausführung ausgefüllt wurden, von Pässen und Geburtsbescheinigungen begleitet. Namen und Nachnamen werden aufgeführt und ohne Ende wiederholt. Da nicht zwei Angehörige unseres Haushaltes denselben Nachnamen trugen, schwappten unsere Formulare auf einer Woge von Mutmaßung und Skandal nach San Orsola zurück.
    Anfang Juni kam Robbie aus Schottland wieder, wo er seinen Vater auf dem windumtosten Friedhof von Keith beerdigt hatte. Durch seine Ankunft wurde unser Haushalt ehrbar. Es spielte keine Rolle, wie viele Frauen da waren, solange sie einen capo casa hatten. Imolo war ein Mann der Männer und wurde sofort abtrünnig, um sich mit Robbie zu verbünden, dessen Vorstöße in die Welt des Dialekts, ob des hiesi
gen oder überhaupt eines, zu diesem frühen Zeitpunkt in Sackgassen endeten. Imolo war für jede Beteuerung des Nichtverstehens taub. Er spürte Robbie auf, weil er den mitgebrachten Wein mit ihm teilen und ihm die Feinheiten der jeweils anstehenden Arbeiten erklären wollte.
    Seinem Beispiel folgend, begannen alle Arbeiter, sich an Robbie zu wenden, und versuchten ihn aus der Abgeschiedenheit seines Tagesablaufs zu hebeln. Robbie manövrierte recht geschickt zwischen vorderer und hinterer Treppe und wußte die verschiedenen Ausgänge und Eingänge zu nutzen, um ihren häufigen Anfragen auszuweichen. Er traf alle ästhetischen Grundsatzentscheidungen für die Villa und sah daher nicht ein, warum man ihn stündlich mit Anfragen und Nichtigkeiten belästigen mußte. Ich fand Robbie im langen Schrank unter der

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