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Ein Haus in Italien

Ein Haus in Italien

Titel: Ein Haus in Italien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa St Aubin de Terán
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Metern Länge über jeden Küchentisch gelegt. Hinzu kamen ein dünnes Nudelholz sowie einige spezielle Teigkratzer. Aus einem Krug wurde ein Berg Mehl aufs Brett geschüttet. Die wahren Fundamentalisten benutzten nur Mehl, das in einer der wenigen verbliebenen Mühlen der Gegend auf traditionelle Weise steingemahlen wurde, da ihrer Ansicht nach der Staat alles, was abgepackt verkauft wurde, manipuliert und möglicherweise vergiftet hatte. In die Mitte wurde eine Vertiefung gemacht und frische Eier hineingeschlagen. Maria d'Imolo versicherte mir, es müßten unbedingt ganz frische Eier sein, anderenfalls würde der Nudelteig kleben. Ich habe niemals zu überprüfen gewagt, ob das wahr ist. Die Tabellenführer unter den Pastasorten sind in San Orsola tagliatelle, pappardelle (breitere Streifen, die zu Wild serviert werden), agnolotti (breitrandige Ravioli, mit Ricotta und Spinat gefüllt) und cappelletti (Dreispitze, mit drei Sorten Hackfleisch und Gewürzen gefüllt). Cappelletti gibt es ausschließlich zu Neujahr und zu Weihnachten. Nudelmaschinen werden verachtet.
    »Du kannst deine Pasta auch gleich frisch im Nudelgeschäft kaufen, wenn du eine Nudelmaschine benutzt«, sagte Maria d'Imolo häufig. »Die Maschine preßt den Teig zusammen, dadurch bekommt er einen anderen Geschmack und eine andere Konsistenz. Er nimmt die Soße anders auf. Man kann maschinengemachte pastasciutta sofort erkennen. Es ist einfach nicht dasselbe. Imolo ist nicht sehr pastasciuttero , er mag eigentlich nur tagliatelle , sonst würde ich mehr machen.
    Als wir heirateten, hat er gefragt: ›Kannst du Pasta machen?‹ Ich habe geantwortet, ich hätte noch nie welche gemacht. Er zuckte mit den Achseln und sagte, ›Nun, wenn
du mich heiratest, wirst du es lernen müssen. Ich kann das andere Zeug nicht essen.‹ Ich habe lange gebraucht, um es zu lernen. Ich habe es nicht als Kind mitgekriegt wie die anderen Mädchen. Ich bin nicht von hier, weißt du. Ich bin im nächsten Dorf geboren. Mein Vater war contadino. Wir waren damals sehr arm, wie alle landlosen Landarbeiter. Wir konnten nur überleben, weil meine Mutter in Mailand als Amme arbeitete. Jedesmal, wenn eines meiner Geschwister geboren wurde, ließ sie das Baby bei uns zu Hause und ging nach Mailand. Ein paar Frauen aus San Orsola und dem Nachbardorf machten das auch. Manchmal haben wir sie sechs Monate lang nicht gesehen.
    Nun, Lisa, wir hatten einen Nachbarn, der war, wenn du den Ausdruck entschuldigst, wie ein Stück Hundescheiße, das einem am Schuh klebt. Er wollte Ärger, und er machte welchen. Er zerrte meinen Vater mit einer erfundenen Anklage vor Gericht. Mein Vater hatte nichts getan, es war ein Streit zwischen Nachbarn, aber ohne Grund. Vielleicht konnte der Nachbar es nicht ertragen, eine Familie so froh und glücklich zu sehen.
    Mein Vater mußte sich einen Rechtsanwalt nehmen. Stell dir das vor, zu der damaligen Zeit, nach Città di Castello laufen und einen Rechtsanwalt finden! Das war sehr beängstigend.
    Er wurde freigesprochen, es war eine alberne Grenzstreitigkeit, aber die Anwaltskosten waren mehr, als mein Vater mit einem Jahr Feldarbeit verdienen konnte.« Maria hielt inne und schüttelte die blonden Locken, verwundert darüber, daß es überhaupt so etwas wie Gemeinheit in der Welt gab. Sie blickte sich rasch in der Küche um, auf den riesigen Fernsehapparat in der Ecke, auf die Kaminverkleidung aus Stein,
die Imolo in seiner Freizeit behauen hatte, auf ihre ordentlich aufgereihten Küchengeräte und das gerupfte Huhn, das über den Wasserhähnen ihres Spülsteins hing, seufzte glücklich über ihr eigenes Schicksal und dann traurig über das ihres Vaters.
    »Er mußte fort, ins Ausland. Er ging nach Nizza und arbeitete die Schulden ab; er wohnte ärmlich und rackerte sich ab. Sobald er konnte, ließ er uns nachkommen, seine Frau und sechs Kinder. Die ersten beiden Jahre lebten wir bei jemandem im Weinkeller, alle acht, wir lebten kaum besser als Bettler, aber wir arbeiteten. Dann ging es langsam bergauf. Ich habe in Nizza gelebt, bis ich Imolo heiratete. Er war aus der Schweiz zu Besuch und ich aus Frankreich. Sobald wir konnten, kehrten wir nach San Orsola zurück. Ich würde nirgends anders wohnen wollen, und du weißt ja, Imolo ist wie ein Vogel ohne Himmel, wenn er vom Dorf fort ist. Nicht einmal nach Castello fährt er gern.«
    Nach vierzehn Jahren in Frankreich schien Maria von dort nichts als die Sprache und die anhaltende Begeisterung für eine

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