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Ein Haus in Italien

Ein Haus in Italien

Titel: Ein Haus in Italien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa St Aubin de Terán
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mit Wiesenblumen und freuten uns trotz fehlender Einrichtung an unserem Haus.
    Nachdem der Tabak gepflanzt und von schlappen Setzlingen zu aufrechten Pflanzen hochgehätschelt worden war, als der Mais wuchs und das Heu sicher in Ballen gepackt war, senkte sich eine Stille über das Tal, die sich angenehm in der relativen Ruhe eines jeden Abends spiegelte. Wir schlenderten ein paar hundert Meter weiter zu der zweiten Bar, wo wir einige neue Orsolani kennenlernten. Die zweite Bar hieß nur die Bar, als gäbe es keine andere, weder im Dorf noch in der nebelhaften Umgebung jenseits seiner Grenzen.
    Die Bar wurde von Menchina geführt, einer puppenhaften Dame ungewissen Alters. Menchina litt unter Migräne, und zwar seit vierzig Jahren. An den Tagen, wenn die Kopfschmerzen besonders schlimm waren, trug sie ein rotes Tuch um die Stirn. Nach vierzig Jahren Dienst in der Bar benahm sie sich, als sei die Bar eine Erweiterung ihres Wohnzimmers. Sie war oft stundenlang leer. Wenn der Laden nebenan geschlossen und sonst nichts zu tun war, legte Menchina an einem der drei Tische im Innenraum Patiencen. Manchmal spielte sie stundenlang. Ihre Stimme war rauh und sehr sinnlich, ihre Bewegungen nervös und schnell, obwohl alles, was sie tat, durch ihre übermäßige Nervosität verzögert wurde und lange dauerte. Vielleicht in Folge der Zeiten völligen Alleinseins, die durch Zeiten mit viel Gesellschaft unterbrochen wurden, sprach sie oft mit sich selbst oder mit Giada, der Schoßhund-Promenadenmischung ihrer Tochter. Giada war ein Viertel
Chihuahua und drei Viertel Gernegroß, eifersüchtig buhlte sie um Menchinas Zuneigung. Menchina debattierte mit ihr, als sei sie ein ausgewachsener, bockiger Teenager.
    Als ich Menchina kennenlernte, freundeten wir uns sofort über Blumen an. Die Einfassung der Terrasse vor der Bar zeigte die Früchte ihrer Arbeit: ein Garten aus Topfpflanzen ganz nach meinem Herzen. Ich erkannte in diesen Bemühungen die verhinderte Gärtnerin. Jede Rose und jeder Busch der Einfassung mußte mit Töpfen seltener Lilien und verschiedener Kamelien, Gardenien und Begonien um Platz kämpfen. Auf der schmalen Treppe am Ende der Terrasse, die zu ihrer Wohnung im ersten Stock führte, konkurrierten Hibiskus, Azaleen, Hortensien und Agapanthuslilien um das bißchen Licht, das durch die Pergola aus wildem Wein sickerte.
    Das Leben unter diesem Wein war friedlich, und zwar auf eine süchtig machende Weise. Wir verbrachten dort bald ebensoviel Zeit wie Menchina mit ihren Patiencen. Neben der Terrasse war die Bar, und neben der Bar war der Dorfladen. Ließ man der Zeit ihren gemächlichen, von Klima und Tradition bestimmten Gang, konnte man da frisches Brot, Pecorino, Getränke, Obst aus Menchinas Obstgarten und Wein aus dem Keller ihres Mannes kaufen. Das Lädchen war auch der allgemeine Umschlagplatz für Klatsch, den Menchina sammelte und wieder austeilte, wobei sie in ihrem Bemühen um Fairneß die Finger in Gebetshaltung so fest aufeinanderpreßte, daß es ihren abgeblätterten, dunkelroten Nagellack strapazierte.
    Sobald ein Baby in die Bar oder den Laden kam, hielt Menchina ihren bemalten Daumen hoch, brachte das Kind dazu, ihn zu nehmen, dann wirbelte sie mit ihm auf dem Terrazzoboden herum und summte ein paar Takte immer der gleichen
Polka, tanzte immer die gleichen Schritte und schien sich dabei an eine lange zurückliegende Zeit zu erinnern, als es noch keinen Grund für rote Stirnbänder oder die Geduld endloser, einsamer Patiencen gegeben hatte.
    Abends, nachdem die Arbeiter fortgegangen waren und eine Spur aus Werkzeugen und halbbeendeter Arbeit hinterlassen hatten, nach unserem Ausflug in die Bar und zum Telefon in Reginas Bar, um die Hafenbehörden wegen unserer Möbel anzurufen, senkte sich Ruhe über die Villa. Diese Ruhe war so betörend, daß sie von Zeit zu Zeit sogar das Kind Iseult und die Beauties zu umgarnen vermochte. Dann wurde die Stille hier und dort von ihrem Übermut durchbrochen und konnte sich doch behaupten, auch sie waren bezaubert vom Duft der drei Blüten des Zitronenbaums in einem der geplünderten Terrakottatöpfe sowie des kletternden Jasmins, den ich in einen anderen gelockt hatte. Frösche und Grillen quakten und sangen aus allen Himmelsrichtungen, und am umbrischen Himmel leuchteten mehr Sterne, als ich jemals gesehen hatte.
    Wir hatten uns angewöhnt, abends draußen zu sitzen und das Halbdunkel des Hauses zu fliehen. Als Elektrizität kam, war das wunderbar, um unseren

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