Ein Haus in Italien
indem wir uns vorsichtig übereinanderquetschten, aber mit dem Kind, das unterwegs war, ging das jetzt nicht mehr. Der Fiat 500 war ein so gutes, beliebtes und unverwüstliches Auto, daß Fiat die Produktion hatte einstellen müssen: Er war nicht kaputtzukriegen, und es wurden einfach nicht genug neue Wagen gekauft. Imolo hatte irgendwo gelesen, das Modell sei an China verkauft worden, wo es, wie ich hoffe, ebenso erfolgreich sein wird wie in Italien.
Iseult, die frühzeitig zu Weihnachten aus Paris zurückgekehrt war, drehte mit dem neuen Auto im Garten endlose Runden, während Allie sich neben den Beeten mit den Lilienzwiebeln duckte und Iseult anflehte aufzuhören. Sie war glückselig und fuhr noch schneller als sonst; sie ließ ihre Stereoanlage aus dem offenen Fenster plärren und bestach ihren Bruder, immer wieder nach oben zu gehen und die Kassette zu wechseln, während sie mitsang und mit dem Auto im Kreis raste, als fahre sie auf der Kirmes Autoskooter. Sie hatte praktisch alle ihre hiesigen Verehrer zugunsten von Michael, dem Filmregisseur, aufgegeben, in den sie sich verliebt hatte – sicher, daß es dieses Mal anders sein würde. Ich interpretierte »anders« so, daß es länger als die üblichen drei Wochen dauern könnte, bis sie ihre Aufmerksamkeit einem anderen zuwandte. Sie wollte unbedingt, daß er uns Weihnachten besuchte.
Maria d'Imolo arbeitete seit einiger Zeit halbtags in der Villa. Sie kam jeden Morgen, um Allie für die Schule fertig zu machen, dann half sie mir. Sie ging von einem Teil des Hauses zum anderen, in Tücher, Schals und Handschuhe einge
packt. In San Orsola hatten alle Zentralheizung, und sie war fassungslos, wie kalt es in unserem Haus war. Sie erzählte mir von ihren Geschwistern in Nizza und den Härten ihrer Kindheit dort. Sie wachte sehr eifersüchtig über unsere Interessen, und sie liebte Allie, den sie oft mit zu sich nach Hause nahm in die Behaglichkeit ihrer Küche.
Die Fröste wurden mit jedem Tag strenger, und die Sonne taute Reif und Eis nicht vor Mittag weg. Nachmittags war es oft noch warm genug, um draußen zu sitzen, aber die Nächte waren entsetzlich. Außerhalb des Mikroklimas unseres Hauses schienen alle den Einbruch des Winters mit Eifer zu ignorieren. Die Bars waren uns zum Verweilen zu kalt, aber die Männer saßen nach wie vor dort und spielten briscola. Uns war, als blickten uns einige Dorfbewohner schief an, und zum ersten Mal wirkten sie merkwürdig gehemmt. Estelio, der Vorsitzende des proloco , kam mehrfach zu uns ins Haus, als wolle er etwas sagen, ging aber nach einem Glas Wein und einigen Unverbindlichkeiten wieder. Maria sagte mir, was ich bereits wußte, daß nämlich Estelio etwas auf dem Herzen habe, wußte aber angeblich nicht, was es sein könnte.
Paul sagte uns schließlich, was los war. Das Dorf hatte offenbar seit Menschengedenken in der baufälligen Villa Orsola das jährliche Neujahrsfest gefeiert. Sie war der einzige überdachte Raum, der zum Tanzen groß genug war. In den vergangenen Jahren waren die kaputten Fahrzeuge hinausgeschleppt worden, und vierhundert Orsolani hatten zusammen Neujahr gefeiert. Jetzt, nachdem wir das Haus gekauft hatten, wußten sie nicht, wohin.
Ob sie kommen und in unserer Eingangshalle tanzen dürften? Ich hatte einen schrecklichen Fauxpas unsererseits befürchtet und mich gefragt, ob die Flitterwochen unseres Auf
enthaltes in der Gemeinde ein abruptes Ende gefunden hätten. Uns allen gefiel die Idee dieses Festes (zumal wir jetzt Polka tanzen konnten), also teilten wir ihnen über Paul mit, daß sie den Raum für die Nacht des Capo d'anno gern haben könnten.
Als wir am folgenden Morgen zum Einkaufen ins Dorf kamen, wußten es offenbar schon alle, und die Luft war wieder rein. Mir wurde an diesem Morgen so oft auf den Rücken geklopft und so oft in den Ellbogen gezwackt, daß ich mich regelrecht malträtiert fühlte, als ich meinen zunehmend schwerfälligen Körper wieder den Hügel hinaufschob.
Iseult, die offenbar erst jetzt bemerkte, daß Weihnachten noch drei Wochen entfernt war, kehrte nach Paris zurück, auch dieses Mal mit dem Nachtzug von Florenz, und sie hatte mehrere Koffer dabei, voll mit ihren (und meinen) besten Kleidern.
21. Kapitel
S eit einiger Zeit wurden unsere Spaziergänge durch Gewehrschüsse gestört, da Jägersmänner sich bemühten, die örtliche Vogelpopulation auszulöschen, und daher wahllos auf alles schossen, was Flügel hatte und größer war als ein Schmetterling.
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