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Ein Haus in Italien

Ein Haus in Italien

Titel: Ein Haus in Italien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa St Aubin de Terán
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trocknen. Um ein Uhr hatten wir ein Drittel der Reihen geschafft, jeder hatte Dutzende
von Eimern gefüllt. Die Männer trugen die Eimer zu den Holzbottichen zurück, die dann zu Imolos Cantina gebracht werden würden. Vom Kupfersulfat auf den Weinblättern waren unsere Hände bis zu den Ellbogen grün. Um eins machten wir Pause, aßen Brot und Salami, Pecorino und Pfirsiche. Alle und alles war mit klebrigem Traubensaft überzogen. Imolo war glücklich, der traurige Ausdruck in seinen Augen war verschwunden. Er hatte als Bauarbeiter und Steinmetz gearbeitet seit er zwölf war, und mit achtundvierzig konnte er bald in Ruhestand gehen. Das Rentensystem in Italien orientiert sich an der Anzahl der Jahre, die man erwerbstätig war. Die Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung sind hoch, aber die meisten könnten mit Anfang fünfzig aufhören zu arbeiten. Als ein neues System erwogen wurde, wonach niemand vor dem fünfundsechzigsten Lebensjahr in Rente gehen sollte, gab es wütenden Protest. In der Bar wurden Kartenspiele unterbrochen, um eine derart absurde Idee zu diskutieren. »Was soll der Ruhestand, wenn man zu alt ist, um ihn zu genießen?« Alle Dorfbewohner arbeiteten bis sie achtzig, neunzig und älter waren, sie verrichteten zu Hause und auf dem Feld schwere körperliche Arbeit, aber das taten sie für sich selbst. Der Staat konnte von jedem Leben nur einen Teil fordern, und sobald die Verpflichtung abgegolten war, forderten alle ihre Freiheit.
    Um sechs Uhr konnten Traktor und Anhänger mit der Traubenfracht bergab rumpeln. Ich war total erschöpft, weigerte mich aber, das zuzugeben. Allie hatte sehr viel gelesen und wurde dafür gelobt. Er war so zufrieden mit sich, daß er alle um Schätzungen bat, wie viele Eimer Trauben sie gelesen hatten, um seine eigene Anzahl damit zu vergleichen.
    Während die Männer in der Cantina den mosto machten,
kochten die Frauen das Abendessen. Es war ein Arbeitstag, also gab es keine crostini , aber es gab selbstgemachte tagliatelle (zubereitet von Imolos Tochter Barbara) mit porcini -Pilzen und Tomatensauce, danach gebratene Tauben, Kaninchenbraten, eine Schüssel grünen Salat und zum Schluß wieder Pecorino und Pfirsiche. Die Tauben wurden vor dem Servieren mit den gleichen gefährlich scharfen Arbeitsscheren in Stücke geschnitten, die zuvor für die Weintrauben benutzt worden waren. Der verkohlte, kahle Taubenkopf einschließlich Augen und Schnabel galt als Delikatesse. Da wir die Gäste waren, wurden sie Robbie und mir angeboten, doch wir lehnten ab, wir wollten Imolo nicht um das Vergnügen bringen, selber knirschend in den Schädel zu beißen. Außer dem Wein vom Vorjahr gab es frischen mosto , der sehr süß, aber köstlich war.
    » Mosto bläht«, warnte uns Vittorio. »Ihr seid die ganze Nacht auf, wenn ihr zuviel davon trinkt.«
    Wir machten uns spätabends auf den Heimweg, Allie, Robbie und ich, eingeklemmt in unseren Zweisitzer. Iseult fehlte mir – sie war für keinerlei kontinuierliche, anstrengende Arbeit zu gebrauchen, aber mit ihrer dekorativen Präsenz gehörte sie irgendwie immer dazu. Sie war seit zwei Wochen wieder in Paris.
    Die Geschäfte am Ort waren wie Bildkalender, da sie vor ihrer Tür immer die Utensilien für das aufstapelten, was im Dorf gerade dran war. Vor der Traubenlese waren es Plastikschläuche, Fässer, Bottiche, Eimer und Ständer mit Rebscheren, Flaschenregale und Trichter. Anfang November waren es dann Netze und Wannen für die Olivenernte. Die kärgliche Auswahl spiegelte den geringen Ertrag der Olivenhaine wider, die sich immer noch von dem großen Frost von 1984
erholen mußten. Die Felder um die Villa bestanden früher aus Olivenhainen; jetzt war davon keine Spur mehr, die sardischen Milchschafe grasten dort zwischen Disteln. Wenn Oliven überlebt hatten, dann meist als neue Triebe aus den alten Wurzeln. Dies war im Grunde keine Olivengegend. Weiter weg, Richtung Assisi, und auch im nahen toskanischen Tal von Castiglion Fiorentino gediehen sie gut, hier aber waren es winzige, harte Früchte, die in großen Bahnen orangefarbener, um die Bäume geschlungener Netze aufgefangen und dann zum Pressen gebracht wurden.
    Mitte November setzte der Winter ein. Die Winde ratterten durch das Hausinnere und trieben soviel kalten Regen in die Zimmer, daß einige Schlafzimmer vorübergehend zu Möbelinseln auf Backsteinen wurden, die auf milderes Wetter warteten. Es wurde eine richtige Arbeit, das Feuerholz in die Küche im ersten Stock zu

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