Ein Haus in Italien
tragen. Das ganze Haus durchzogen Kaminschächte, aber nur einer war geöffnet worden, und der war in der großen Küche. Es war ein riesiger offener Kamin, mit einem riesigen Hunger, der nicht zu stillen war. Ende des Monats waren unsere fensterlosen Schlafzimmer so kalt, daß wir in den ersten Stock umzogen und in dem Versuch, den Wind fernzuhalten, weitere Vorhänge vor Türöffnungen hängten.
Wir hatten immer noch die Wohnung in Venedig, auch wenn wir sie zum Verkauf anboten in der Hoffnung, damit unsere Schulden zu bezahlen. Wir wußten, daß wir dorthin ziehen konnten, bis die schlimmste Kälte vorüber war. Imolo, Vittorio und viele andere versicherten uns, der Winter sei von kurzer Dauer, also blieben wir. Ich fühlte mich mit meiner Schwangerschaft ausgesprochen schlapp und verbrachte viele Tage damit, das Feuer zu betrachten, in die Flammen
zu starren und an seiner Glut zu kauern. Wenn Allie von der Schule nach Hause kam, gingen wir manchmal im Wald spazieren und suchten funghi , obwohl wir beide wußten, daß die Saison vorüber war.
Die Arbeiten in der Villa hatten sich auf Winterschlaftempo verlangsamt. Imolo kam jeden Morgen mit Gigi, seinem stets willigen Gehilfen, und zusammen bastelten sie Terrakottaformen. Sie hatten alle Stücke, die sie auf dem Gelände gefunden hatten, wie Puzzles zusammengelegt und Fensterumrandungen rekonstruiert. Sie waren fast vollständig, es fehlten nur einige kleine Teile. Es gab auch Teile des Frieses, der den Turm über Robbies Atelier umlaufen sollte, sobald er (falls überhaupt je) fertig wurde. Jedes Stück Terrakotta wog mehrere Zentner. Mit Hilfe des Marmorsteinmetzen hatte Imolo eine gelbe, gummiartige Paste aus Frankreich aufgespürt, die für Statuen gedacht war. Er bestrich jedes Stück mit dieser Paste, ließ sie trocknen, hob sie ab, baute einen Rahmen dafür und goß orangegefärbten Zement hinein. Irgendwann würde er alle Teile haben, die er zur Restaurierung der zerbröckelnden Fassade brauchte. Aber die Gummi-Substanz mochte die Kälte nicht und reagierte eigenartig. Imolo und Gigi, bis zu den Achseln in grellgelber Paste, fanden das überaus erheiternd und riefen mich ständig hinunter, damit ich zusah.
November war der schlimmste Monat. Wir gewöhnten uns nur sehr schwer an die Kälte. Auch unser Auto mochte sie nicht und sprang oft nicht an. Von Zeit zu Zeit kam ein Mechaniker aus dem Ort, quälte den Motor und zwang ihn zur Arbeit, aber das Auto trug von diesen Behandlungen irreversible Schäden davon. Es sprang an, brachte uns den Hang hinunter (manchmal auch wieder hinauf), aber es hustete tu
berkulös, und in unregelmäßigen Abständen röchelte es. Welche Autos eine Familie hier auch besitzen mochte, alle hatten einen Fiat 500, ein winziges Gefährt, das es unermüdlich mit holprigen Straßen, unglaublichen Steigungen und den Wechselfällen des Klimas aufnahm. Imolo sagte, er werde einen für uns auftreiben.
Als Robbies Vater starb, hinterließ er ihm einen Rolls-Royce von 1924, den er selbst über einen Zeitraum von zwanzig Jahren instand gesetzt hatte. Der Wagen, ein dunkelblaues Kabrio, beängstigend perfekt und so groß wie ein kleiner Bus, war ein kleines Vermögen wert und verlangte ebensoviel Aufmerksamkeit und Pflege wie ein Neugeborenes. Er brauchte im Sommer eine klimatisierte Garage und im Winter eine beheizte Unterkunft, damit sich seine Eschenpaneele nicht verzogen. Er brauchte eine gerade Straße und gelegentliche leichte Spazierfahrten. Keiner von uns glaubte, daß er mit den spartanischen Bedingungen fertig werden würde, in denen wir lebten, selbst wenn wir ihn zu uns hereingeholt hätten. Zunächst hielten wir das für möglich, da die Eingangshalle im Parterre bei unserer ersten Besichtigung einen verrosteten landwirtschaftlichen Gerätepark beherbergt hatte. Doch der Winter war zu kalt und das Problem des Zementstaubes zu gravierend, um so etwas noch zu erwägen. Also packten wir den Traum, in seinen weichen Ledersitzen durch San Orsola zu kutschieren, zu anderen nicht praktikablen Ideen wie einem Bärenhaus und einem unterirdischen Türkischen Bad, und unsere Meldung zum Oldtimer-Rennen Mille Miglie verfiel.
Unterdessen hatte Imolo ein marineblaues Kabrio anderer Art aufgetan, einen Fiat 500, der für den stolzen Preis von 400 englischen Pfund zum Verkauf stand. Er wurde unser Fa
milienwagen. Wir konnten unsere vierköpfige Familie komplett (und absolut vorschriftswidrig) in Robbies stotterndem Sportwagen unterbringen,
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