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Ein Held unserer Zeit

Ein Held unserer Zeit

Titel: Ein Held unserer Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Lermontow
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...
     
    Ich machte mein Pferd los und ritt im Schritt nach Hause zurück. Mir war, als läge ein Stein auf meinem Herzen. Die Sonne erschien mir trübe, und ihre Strahlen erwärmten mich nicht.
     
    Um nicht durch das Dorf reiten zu müssen, schlug ich die Richtung rechts nach der Schlucht ein. Es war mir unmöglich, ein menschliches Wesen zu sehen; ich wollte und mußte allein sein ...
     
    Dem Pferde die Zügel lassend, ritt ich lange gesenkten Kopfes umher, bis ich mich endlich an einer Stelle befand, die mir völlig unbekannt war. Da wandte ich das Pferd um und suchte wieder die Straße zu gewinnen. Die Sonne war schon untergegangen, als ich, ebenso erschöpft wie mein Pferd, Kislowodsk erreichte.
     
    Mein Diener sagte mir, daß Werner dagewesen und zwei Briefe zurückgelassen habe.
     
    Der eine war von ihm – der andere von Wera.
     
    Ich öffnete den ersteren; er hatte folgenden Inhalt:
     
    "Alles ist in der besten Weise geordnet. Die Leiche, welche vollständig entstellt war, ist gebracht worden; und ich habe die Kugel aus der Brust gezogen. Alle sind überzeugt, sein Tod sei einem unglücklichen Zufall zuzuschreiben. Nur der Commandant, der vielleicht von Ihrem Streit gehört hat, schüttelte den Kopf, sagte jedoch nichts. Beweise gegen Sie liegen nicht vor, und Sie mögen ruhig schlafen – wenn Sie's können ... Leben Sie wohl!"
     
    Lange Zeit konnte ich mich nicht dazu entschließen, den zweiten Brief zu öffnen ... Was mochte sie mir zu schreiben haben? ... Eine beklemmende Ahnung bedrückte mir das Herz.
     
    Hier ist er, dieser Brief – jedes Wort wird mir unauslöschlich in der Erinnerung bleiben.
     
    "Ich schreibe dir in der festen Ueberzeugung, daß wir uns niemals wiedersehen werden. Als wir uns vor einigen Jahren trennten, glaubte ich dasselbe. Aber es hat dem Himmel gefallen, mich noch einmal zu prüfen, und ich habe diese neue Prüfung nicht bestanden; mein schwaches Herz gab abermals dieser bekannten Stimme nach ... Du wirst mich darum nicht verachten – nicht wahr?
     
    Dieser Brief ist zugleich ein Abschied und ein Bekenntniß. Ich muß dir Alles sagen, was sich in meinem Herzen ereignet hat, seitdem es dich liebt ...
     
    Ich will dich nicht anklagen – du hast gegen mich gehandelt, wie jeder andere Mann an deiner Stelle gegen mich gehandelt haben würde: du liebtest mich wie dein Eigenthum, als eine Quelle von Vergnügungen, Unruhen und Sorgen, die sich einander ablösten, und ohne welche das Leben zu langweilig und einförmig sein würde. Ich begriff das gleich anfangs ... Aber du warst unglücklich, und ich opferte mich dir in der Hoffnung, es werde eine Zeit kommen, wo du mein Opfer anerkennen, wo du meine unendliche Zärtlichkeit, die ich dir ohne irgend eine Bedingung gewährte, begreifen würdest.
     
    Jahre sind seitdem verflossen; ich bin in alle Geheimnisse deiner Seele eingedrungen, – und da habe ich die Ueberzeugung gewonnen, daß ich mich einer trügerischen Hoffnung hingegeben hatte. O, das war bitter für mich! Aber meine Liebe war in das Innerste meiner Seele gedrungen; sie konnte leiden aber nicht erlöschen.
     
    Wir scheiden für immer. Aber sei überzeugt, daß ich niemals einen Andern lieben werde. Mein Herz hat für dich alle seine Schätze, alle seine Thränen und Hoffnungen erschöpft. Die Frau, welche dich einmal geliebt hat, kann nicht ohne eine gewisse Verachtung die andern Männer betrachten; nicht als ob du besser wärst als sie, – o nein! – aber es liegt in deinem Wesen etwas, das nur dir eigenthümlich ist – das dir ganz allein gehört: etwas Stolzes und Geheimnißvolles. Was du auch sagst, in deiner Stimme liegt immer eine unwiderstehliche Macht; Niemand versteht es so wie du, sich immer Liebe zu erzwingen; Niemand vermag in solchem Grade das Böse verführerisch zu machen; keines Menschen Blick verheißt eine solche Seligkeit; Niemand kann besser seine Vorzüge geltend machen, Niemand endlich versteht so wahrhaft unglücklich zu sein wie du, weil Niemand sich eine solche Mühe gibt, sich vom Gegentheil zu überzeugen.
     
    Ich muß dir jetzt den Grund meiner schnellen Abreise angeben. Er wird dir wenig wichtig erscheinen, weil es sich nur um mich handelt.
     
    Heute morgen kam mein Mann zu mir und erzählte mir von deinem Streite mit Gruschnitzki. Offenbar hat sich bei seinen Worten meine Aufregung auf meinem Gesicht verrathen, denn er blickte mir lange und durchdringend in die Augen. Ich wäre beinah in Ohnmacht gefallen bei dem Gedanken,

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