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Ein Held unserer Zeit

Ein Held unserer Zeit

Titel: Ein Held unserer Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Lermontow
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hergekommen, aber ein solches Benehmen fing an mich zu ärgern.
     
    Der Doctor trat auf mich zu.
     
    "Hören Sie," sagte er mit sichtlicher Unruhe: "Sie haben wahrscheinlich vergessen, was sie unter sich verabredet haben ... Ich kann keine Pistole laden, aber in diesem Fall ... Welch ein seltsamer Mensch Sie sind! Sagen Sie ihnen, daß Sie von ihrem Plane unterrichtet sind, und sie werden's nicht wagen ... Warum so hartnäckig! Sie werden Sie todtschlagen wie einen Spatz ..."
     
    "Seien Sie unbesorgt, Doctor; warten Sie's ab. Ich werde Alles so einrichten, daß ihnen kein Vortheil bleibt. Kehren Sie sich nicht an ihr Geflüster."
     
    "Meine Herren," sagte ich laut zu ihnen, "das fängt an mich zu langweilen. Schlägt man sich, so schlägt man sich; Sie haben gestern Zeit genug gehabt, sich zu verabreden."
     
    "Wir sind bereit," antwortete der Hauptmann. "Nehmen Sie Ihre Plätze ein, meine Herren! Doctor, wollen Sie gefälligst sechs Schritt abmessen?"
     
    "Stellen Sie sich auf," wiederholte Iwan Ignatjewitsch mit kreischender Stimme.
     
    "Erlauben Sie," sagte ich. "Noch eine Bedingung. Da wir uns auf Leben und Tod schlagen, müssen wir alle möglichen Vorsichtsmaßregeln treffen, damit die Sache geheim bleibe und die Secundanten später nicht dafür verantwortlich gemacht werden. Sind Sie nicht auch dieser Ansicht?"
     
    "Vollkommen."
     
    "Ich habe daher folgenden Plan. Sehen Sie oben auf der Spitze dieses überhängenden Felsens, da rechts, die schmale Plattform? Er hat eine Höhe von mindestens zweihundert Fuß, und unten sind spitze Steine. Wir stellen uns Beide an dem Rande dieses Felsens auf; auf diese Weise wird die geringste Wunde tödtliche Folgen haben. Ich glaube, dieser Vorschlag wird mit Ihren Absichten übereinstimmen, da Sie ja selbst sechs Fuß Distance wählten. Wer von uns beiden verwundet wird, fällt unfehlbar in den Abgrund hinunter und wird an den Felsenzacken zerschmettert werden. Der Doctor zieht ihm die Kugel heraus, und so wird man seinen Tod einem unglücklichen Falle zuschreiben. Wir werden darum loosen, wer den ersten Schuß hat. Ich erkläre Ihnen, daß ich mich nur unter dieser Bedingung schlage."
     
    "Meinetwegen," sagte der Hauptmann, und sah Gruschnitzki, der durch ein Nicken seine Zustimmung zu erkennen gab, bedeutsam an.
     
    Mein Gegner wechselte jeden Augenblick die Farbe. Ich hatte ihn in eine sehr schwierige Lage gebracht. Wenn er sich mit mir nach den gewöhnlichen Duellregeln schlug, konnte er mir nach den Beinen zielen, mich leicht verwunden, und auf diese Weise seinen Groll befriedigen, ohne zu sehr sein Gewissen zu beladen. Aber jetzt mußte er entweder in die Luft schießen oder einen Mord begehen; oder auch endlich dem Complot mit dem Hauptmann entsagen, und sich derselben Gefahr aussetzen wie mich. In diesem Augenblicke hätte ich nicht an seiner Stelle sein mögen. Er führte den Hauptmann bei Seite und sagte ihm mit großer Heftigkeit einige Worte; ich sah, wie seine blau gewordenen Lippen zitterten; aber der Hauptmann wandte sich mit verächtlichem Lächeln von ihm ab.
     
    "Du bist ein Narr," sagte er ziemlich laut zu Gruschnitzki, "und du begreifst nichts! ... Wohlan, meine Herren, begeben wir uns an Ort und Stelle."
     
    Ein schmaler Pfad führte durch zerklüftetes Gestein nach der Felsenplatte. Einzelne Felsstücke bildeten die unsicheren Stufen dieser natürlichen Treppe. Wir mußten uns beim Hinaufklettern an dem Gesträuch festhalten. Gruschnitzki ging voraus, dann kamen seine Zeugen; hinter diesen der Doctor und ich.
     
    "Sie setzen mich in Erstaunen," sprach der Doctor und drückte mir fest die Hand. "Lassen Sie mich Ihren Puls fühlen! ... O, o, ein wenig fieberhaft ... aber auf dem Gesicht ist nichts zu bemerken ... nur Ihre Augen glänzen heller als gewöhnlich."
     
    Plötzlich rollten kleine Steine unter unsere Füße.
     
    Was war das? Gruschnitzki hatte gestrauchelt; der Zweig, an dem er sich fest gehalten, war gebrochen, und wenn seine Secundanten ihn nicht gehalten, wäre er auf dem Rücken hinuntergerutscht.
     
    "Sehen Sie sich vor," rief ich ihm zu. "Fallen Sie nicht zu früh; das ist ein schlimmes Vorzeichen. Denken Sie an Julius Cäsar!"
     
    Da waren wir endlich auf der Felsenplatte angekommen. Sie war mit einem feinen Sande bedeckt, als hätte die Natur alle Anordnungen zu einem Duell getroffen. Rings um uns her drängten sich die Gipfel der Berge, welche sich in dem goldenen Morgennebel verloren, wie eine unzählige Heerde. Im

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