Ein Herz bricht selten allein
heimlich in ihre Tasche manövriert haben.
Bettina setzte sich auf die Bettkante und versuchte, die Bilanz ihres Lebens zu ziehen. Der Kompaß wies eindeutig in Richtung Heimat, auf die Ehe mit Bernhard, die sie aus ihren Bruchstücken wieder zusammenbasteln mußte, auf ein geregeltes Dasein mit Frühstück, zwei warmen Mahlzeiten am Tag und am Abend Fernsehen und Kreuzworträtsel. Oder Krach, wenn Bernhard wieder Seitensprünge machte. Einmal im Monat ins Theater, auf Abonnement, jede zweite Woche zum Friseur, zwischendrin die Haare selbst waschen und wickeln. Wäre alles nicht schlimm, wenn Bernhard und ich glücklich miteinander wären, dachte Bettina und streichelte nachdenklich die weiche Wolldecke ihres Luxusbettes. Das Zimmer lag im vierten Stock. Man könnte aus dem Fenster springen, man könnte sich auch einfach wohlig hintenüber fallenlassen auf das breite Bett. Bettina entschied sich für das Bett.
Anna zerbrach sich nach Bettinas übereilter Abfahrt den Kopf, was nun zu tun sei. Das viele Geld, das ihr nicht gehörte, bedrückte sie. Wenn sie aus dem Haus ging, schleppte sie es in einem kleinen Luftköfferchen mit sich, und nachts legte sie es unters Kopfkissen. Sie wachte jede Stunde auf und lauschte, ob sie auch kein verdächtiges Geräusch hörte.
Poldi schlief wie ein Bär. Er lachte sie wegen ihrer Ängste aus. »Stell dir vor, du wärst ein Bankkassierer und müßtest jeden Tag das Zehnfache mit dir herumtragen.«
Aber Anna wollte es sich nicht vorstellen. »Du hast das Ganze eingebrockt«, sagte sie ärgerlich.
Er lachte. »Soll ich die Suppe auslöffeln? Gib ihn mir, den Zaster, ich werde schon damit fertig.« Er stand jetzt immer erstaunlich früh auf. Wenn er gefrühstückt hatte, lieh er sich Annas Wagen mit den Worten »Du-brauchst-ihn-ja-sicher-heute-doch-nicht«, und weg war er. Abends kam er spät wieder, erzählte von tollen Steinformationen bei Nisporto, von den Pinienwäldern auf dem Monte Capanne und von der ausgezeichneten Pizza, die man in Rio Marina aß. Nancy erwähnte er nur am Rande. Jetzt hat’s ihn erwischt, lautete Annas Diagnose, aber sie wußte, was sich für eine Mutter schickte. Man machte seine Beobachtungen und hielt den Mund.
Frank war mit Susan einige Tage nach Korsika gefahren, weil Susan Wert darauf legte, von A bis Z alles gesehen zu haben, um es dann abhaken zu können.
Anna kochte die Frühstückseier, eines für sich, zwei für Poldi, während er einen Lärm vollführte, als machten etliche Robben Morgentoilette. Er duschte sich. Als er damit fertig war, hörte Anna, wie er sich mit einem Plumps im Liegestuhl niederließ. Könnte er ihr wohl mal beim Frühstückbereiten helfen, wenigstens die Tassen auf den wackligen Tisch vors Haus tragen? Sie sagte: »Bitte, wühl mal in deinem Gedächtnis. Bettina hat dir doch sicher erzählt, wie der Mann hieß und wo er lebt.«
»Welcher Mann?« Er gähnte, um Anna sein Desinteresse an Bettinas belanglosen Erlebnissen darzutun, und verschwand in seiner Kammer.
Anna deckte den Tisch und schluckte ihre Frage hinunter, wie er nun seine nächste Zukunft zu gestalten gedenke und ob überhaupt.
Poldi ließ lange auf sich warten, und Anna begann mit dem Frühstück. Als er endlich erschien, war aus dem wilden, bärtigen Burschen ein gutaussehender, glattrasierter junger Mann mit einem etwas verlegenen Lächeln auf den Lippen geworden. In seinen Mundwinkeln lauerte die Angst, Anna könnte seine Rasur mit einer spöttischen Bemerkung kommentieren. Aber Anna, ebenso betreten wie Poldi, tat so, als nähme sie die Umwandlung überhaupt nicht wahr.
Sie füllte seine Tasse in der Aufregung so voll, daß sie überschwappte. Poldi setzte sich an den Tisch, Anna reichte ihm den Zucker, das Brot und die Butter, und dann sagte sie in einem leichten Konversationston: »Du mußt jetzt aufpassen, daß du keinen Sonnenbrand bekommst. Ich habe eine sehr gute Schutzcreme da, ich werde sie dir geben.«
Er bestrich sich sein Brot mit Butter, packte einen riesigen Keil Käse darauf und warf, ehe er in das Brot biß, Anna einen dankbaren Blick zu. Die taktvolle Art, wie sie seine Verwandlung in einen durchschnittlichen Europäer behandelte, zwang ihm restlose Bewunderung ab. »Findest du mich ohne Bart besser als mit?« erkundigte er sich, nachdem er seine Verlegenheit weggeräuspert hatte.
»Ich finde dich immer gut.« Anna köpfte ihr Ei. »Wie bist du denn überhaupt auf den Gedanken gekommen?«
»Es war nur eine dumme Wette mit
Weitere Kostenlose Bücher