Ein Herz bricht selten allein
die auf einem karierten Papier am sechsten Entwurf ihres Hauses malte, blickte zerstreut auf. »Wieso? Ist Frank denn aus Korsika zurück?«
»Nein, aber er hat mit Nancy telefoniert. Er kommt übermorgen.« Poldi, der sich dazu bequemt hatte, den Wagen zu waschen, warf den Schwamm in den Eimer und kam zu Anna. »Ich finde, für einen Amerikaner ist er kolossal in Ordnung«, sagte er. »Er hat den notwendigen common sense, aber daneben auch Sinn für die Kunst, für die Natur, für gutes Essen, für gute Musik, für Humor. Er ist tolerant, und außerdem sieht er blendend aus, findest du nicht?«
»Ich kann das schwer beurteilen, weißt du, ich kenne ihn schon zu lange«, meinte Anna ausweichend. Sie hatte sich in den letzten Tagen viel zuviel mit Frank befaßt. Sie war sogar so weit gegangen, sich ein Leben mit ihm vorzustellen. Nicht nur vorzustellen, sondern zu wünschen. Aber daran war nur der Schirokko schuld. Die größten Dummiane erinnern sich bei Schirokko daran, daß sie einen Kopf haben, bloß weil es in den Schläfen puckert. Warum sollen sich Frauen nicht daran erinnern, daß sie ein Herz haben?
»Wieso kannst du das nicht beurteilen? Du hast ihn doch mal geliebt, das wissen wir doch«, sagte Poldi aggressiv. »Was sagst du überhaupt zu seiner Frau? Ich finde sie einfach fünf Klassen zu primitiv für ihn, du nicht?«
Der Bleistift in Annas Hand machte einen unbeabsichtigten Fahrer über das Papier, wodurch der Wohnraum, an dem sie zeichnete, in zwei Teile zerlegt wurde. Mußte sie sich von einem Sohn derartige Fragen gefallen lassen? Das waren die Nachteile des kameradschaftlichen Tones zwischen Mutter und Kindern.
»Im Grunde findest du sie ganz unmöglich, gib es nur zu«, forderte Poldi erbarmungslos. »Du genierst dich aber, es auszusprechen, weil das nach kleinlicher Eifersucht riechen würde.«
Anna zerknüllte die verpatzte Skizze zu ihrem Haus. »Sag mal, wo bin ich eigentlich? Solche Fragen beantwortet man auf einer Couch beim Psychoanalytiker.«
Poldi tauchte den Schwamm ins Wasser und drückte ihn mit beiden Händen über dem Kühler aus. »Nur mit dem Unterschied, daß du beim Seelenspengler dafür blechen mußt. Bei mir kriegst du das alles gratis«, sagte er lachend. »Also, du findest auch, daß Frank die verkehrte Frau am Hals hat. Er solle mit dir zusammenleben, das ist eine ganz einfache Feststellung und keineswegs eine verwerfliche. Ich weiß gar nicht, was für ein Brimborium die Menschen immer um diese simplen Dinge machen.«
»Ich will mich bemühen, sie so simpel zu finden wie du.«
Er nickte ihr anerkennend zu. Wenn Mama so weitermachte, brauchte man die Hoffnung noch nicht aufzugeben.
»Brauchst du den Wagen heute?« fragte er lässig.
Anna raffte sich auf. »Ja.«
Er hielt im Wischen inne und blickte zu Anna herüber, als hätte sie eine Ungeheuerlichkeit ausgesprochen, etwas, das eine Mutter eigentlich nicht in den Mund nehmen sollte. »Du brauchst ihn heute?« fragte er ungläubig.
»Ja, ich brauche ihn heute. Ausnahmsweise.«
»Wenn ich das gewußt hätte...« Sein Arbeitseifer war mit einem Schlag erloschen.
»...dann hättest du ihn nicht gewaschen«, sprach Anna den Satz für ihn zu Ende.
»Wozu brauchst du ihn denn?«
»Ich brauche ihn eben. Ich möchte auch mal einen Ausflug machen.« Es war höchste Zeit, endlich einen gesunden Egoismus aufzubauen. Kein Kind dankt es einer Mutter, wenn sie mit ihren persönlichen Wünschen immer zurücksteht.
»Ich dachte, du wolltest arbeiten. Den Werbetext für das neue Waschzeug da schreiben.«
»Das laß nur meine Sorge sein«, sagte Anna, und sie horchte erstaunt auf, denn es war gar nicht mehr ihre eigene Stimme, es war die scharfe, auf Einschüchterung bedachte Stimme ihrer früheren Studienrätin, Fräulein Martha Sprengelheim, deren Mund beim Verkünden ihrer Meinung immer die Form einer bleistiftgeraden, schlecht vernarbten Schnittwunde annahm. Aber weil Anna nun schon mal diesen Ton gefunden hatte, von dem sie nicht wußte, ob es der rechte war (aber jedenfalls war es ein eindrucksvoller), fuhr sie fort: »Ich glaube, ich habe es wirklich nicht nötig, mich an meine Pflichten erinnern zu lassen. Wenn du nur den zehnten Teil von dem tätest, was ich tue, hättest du längst dein eigenes Auto, und wir könnten uns diese unerfreuliche Debatte ersparen.«
Das war genau die verkehrte Art, Poldis Schwierigkeiten anzupacken, und Anna wußte es. Trotzdem war ihr leichter zumute. Es mußte endlich mal ‘raus. Sie
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