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Ein Herz bricht selten allein

Ein Herz bricht selten allein

Titel: Ein Herz bricht selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gitta von Cetto
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Vorstellungen an den Nagel hängtest.«
    »Vielleicht kämen wir auch
wunderbar miteinander aus, wenn ich ein Vermögen von etlichen Millionen im
Hintergrund hätte. Ich müßte mir dann nicht soviel Sorgen um deine Zukunft
machen.«
    »Machen — das ist das richtige
Wort. Du konstruierst dir diese Sorgen.«
    »Du versäumst deine besten
Jahre, Poldi.«
    »Daß ich sie >versäume<,
ist auch nur eine Behauptung. Ich bin der Meinung, daß ich meine besten Jahre
bewußt genieße, also nütze. Aber ich weiß schon, du hättest gern einen
duckmäuserischen, stinknormalen Sohn, nicht wahr?«
    »Was ich gern hätte, ist ganz
egal. Es handelt sich darum, was ich habe.«
    »Tröste dich mit deinen Töchtern.
Wie lange bleibt Bettina eigentlich bei dir?«
    Anna hob die Schultern.
    »Sie kann doch nicht einfach
hierbleiben und dir auf der Pelle sitzen! Schließlich ist eine Mutter nicht nur
eine Melkkuh für ihre Kinder. Du hast doch ein Anrecht auf ein eigenes Leben.«
    Wie weise er redete. Und mit
welcher Kühnheit er sich als der vernünftige, ratgebende Sohn aufspielte. Anna
mußte lächeln, aber sie lächelte nach innen, um Poldi nicht vor den Kopf zu
stoßen. »Ich weiß nicht, ob Bettinas Ehe noch zu flicken ist.«
    »Warum nicht? Über ihre und
seine Eskapaden wird Gras wachsen. Und schließlich haben sie ein Kind
miteinander. Ich werde heute mal ein ernstes Wort mit ihr reden. Weißt du, das
kann ich besser als du. Du bist halt doch etwas hinter dem Leben zurück. Hinter
dem Leben, das wir Jungen führen. Das mußt du verstehen.«
    »Natürlich.« Wahrscheinlich
mußten die Kinder sich Zwang antun, um nicht direkt das Wort >verkalkt<
auszusprechen.
    »Die Vorstellung, daß eure
Elternschaft euch Rechte über uns gibt, ist bedrückend für uns. Es erweckt
unseren Widerstand. Das ist doch ganz natürlich.«
    »Vielleicht.«
    Poldi fuhr wie ein Verrückter
und sprach mit erhobener Stimme. Ihn jetzt nur nicht reizen, sonst knallt er
gegen einen Baum!
    »Schließlich habt ihr uns ja
nur gezeugt und geboren. Und hochgepäppelt. Ihr habt Zeit und Geld in ein
Unternehmen investiert, von dem ihr wissen mußtet, daß es keine Zinsen trägt.«
    »Und Gefühle«, bemerkte Anna
bescheiden.
    »Gefühle? Wieso? Was für
Gefühle?«
    »Ich meine, wir haben auch
Gefühle investiert.«
    »Gefühle sind doch nur Ausreden
für eine höchst unklare Selbstgefälligkeit. Ein bequemes Abweichen vom
Verstand.«
    Schweigen ist Gold, sagte Anna
sich. Ihre Blicke schweiften über die sanften, binsenbewachsenen Täler und die
Weingärten, die die Berge bis zu dem bewaldeten Gestein emporkletterten. Im
goldenen Geflimmer standen die alten Bauernhöfe und zeigten zwischen mächtigen
Eukalyptusbäumen ihr morsches, von Wind und Salzwasser abgewaschenes Rot. Dies
wird meine Heimat, dachte Anna.
    Poldi ging dazu über, sich mit
Annas Fähigkeiten, ihr Leben richtig zu gestalten, auseinanderzusetzen. »Wie
kannst du schreiben, Mama, wenn du nichts von der Welt siehst? Warum machst du
keine Reisen?«
    »Weil ich es mir nicht leisten
kann, zeitlich und finanziell.«
    »Du bist zu solide, du bist
kein Lebenskünstler.«
    »Dafür habe ich einen Sohn, der
einer ist«, sagte Anna.
    »Warum wirst du denn immer
gleich persönlich, Mama?«
    Poldi ließ nicht locker, er
wollte sich unbedingt an ihr reiben. Anna war mit ihrer Geduld am Ende. »Bitte
fahr mal rechts ‘ran«, sagte sie.
    Er hielt an einer Böschung.
    Anna machte jetzt ihre schmalen
Katzenaugen, die er so gut kannte.
    »Ich will mich absetzen von
dir. Wir sehen uns heute abend.«
    Sie lief einen schmalen Pfad
entlang, der irgendwohin führte, zu einem Bohnenfeld oder einem Schafstall,
aber jedenfalls weg von ihrem Sohn Poldi. Er rannte ihr nach und gestikulierte
und machte ihr klar, daß sie sich wie ein Teenager benahm. Aber Anna gab ihm
keine Antwort. Schließlich blieb er stehen und blickte ihr zornig nach. War es
nicht lächerlich, daß sie wie zwei zerkrachte Liebesleute auseinanderrannten,
jeder bestürzt über die Verständnislosigkeit des anderen? Warum konnte man nie
ein vernünftiges Wort mit Mama reden? Waren andere Mütter ebenso?
    »Mach mir bitte keine Vorwürfe,
wenn dich der Hitzschlag trifft«, rief er ihr ärgerlich nach. Dann kehrte er zu
Franks Wagen zurück.
     
    Anna brauchte zwei Stunden, um
mit ihrem Zorn und ihrem Kummer fertig zu werden. Sie lief über felsige
Eselssteige, stolperte über Wurzeln von Olivenbäumen, verfing sich im
Brombeergestrüpp und fand schließlich

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