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Ein Herz bricht selten allein

Ein Herz bricht selten allein

Titel: Ein Herz bricht selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gitta von Cetto
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Hitze, Staub und Müdigkeit
gezeichneten Gesicht. Sie öffnete die Tasche, um den Lippenstift herauszuholen.
Aber unter dem argwöhnischen Blick der stummen Türsteherin schloß sie sie rasch
wieder. Von unten herauf, das Summen der Stadt deutlich übertönend, drang ein
Hupensignal. War das der rebellisch werdende Taxifahrer?
    »Warum darf man Herrn Seggelin
nicht stören? Hat er eine geschäftliche Besprechung?«
    »Nein. Er badet.«
    »Um sieben Uhr abends?«
    »An heißen Tagen badet er immer
vor dem Abendessen. Das kühlt ihn ab.« Die Türhüterin wurde gesprächiger. »Die
Kinder sind gar nicht gern in Monte Catini«, teilte sie mit und trat einen
Schritt näher. »Die Kinder sind gar nicht so schlimm, wie man immer behauptet.«
    »Welche Kinder?«
    »Die Kinder, für die Herr
Seggelin Sie engagieren möchte.«
    Denkste! Ich bin
hierhergekommen, um aus Herrn Seggelin mein Reisegeld nach Deutschland
herauszulotsen und ihm gleichzeitig beizubringen, daß mein Bruder sich erlaubt
hat, die von Jean Moulin alias Johann Rindlende organisierten Scheine für seine
privaten Zwecke zu kassieren. Ich habe ein eigenes Kind, das mich braucht,
andere Kinder sind mir schnuppe.
    »Adriana«, ertönte eine
männliche Stimme, und gleichzeitig öffnete sich in der höher gelegenen
Bibliothek eine Tapetentür, die Bettina bisher nicht bemerkt hatte. Ludwig
Seggelin, in einem dunkelblauen Bademantel, mit wirrem feuchtem Haar, erschien
auf der Galerie.
    »Adriana, Sie Teufelsweib haben
schon wieder meinen Wäscheschrank aufgeräumt! Wo finde ich eine Unterhose?«
rief er in unverfälschtem Schwyzerdütsch.
    Adriana stürmte nach oben, als
gelte es, Herrn Seggelins Leben zu retten.
    Alle Männer auf der ganzen Welt
haben diesen beleidigten, verzweifelten Ton, wenn es sich um ihre Unterhosen
oder ihre Krawatten oder ihren Kugelschreiber oder einen anderen, dem
weiblichen Ordnungsfimmel ausgesetzten Gegenstand handelt.
    Bettina, die bisher von Herrn
Seggelin unbemerkt geblieben war, erhob sich von ihrem Thronsessel und winkte
ihm mit der Hand zu. »Hallo!«
    Aber die Überraschung hatte
nicht die erwartete Wirkung. Herr Seggelin stutzte kaum. »Ah, sieh da«, sagte
er und kam gemächlich die Treppe herunter.
    Bettina ging Ludwig Seggelin
entgegen. »Unten wartet mein Taxi«, sagte sie.
    »Schicken Sie es weg.« Herr
Seggelin roch nach einer wunderbaren Seife, er sah ausgeruht und sorglos und
gar nicht so unsympathisch aus.
    »Ich kann es nicht wegschicken.
Ich habe nicht genug Geld, um es zu bezahlen.«
    Seggelin rieb sich das Ohr und
betrachtete Bettina mit leicht zur Seite geneigtem Kopf. »Mir scheint, Taxis
bezahlen ist nicht Ihre starke Seite.« Er öffnete ein Schubfach eines riesigen
alten Sekretärs und holte einen Packen gebündelter Scheine hervor, ähnlich
demjenigen, den Jean geklaut, Bettina nach Elba transportiert und Poldi an sich
genommen hatte. »Macht es mehr als zehntausend Lire aus?« fragte er über die
Schulter.
    »Nein, nein«, beeilte sich
Bettina zu versichern. Sie war neben Seggelin an den Sekretär getreten und
streckte die Hand nach dem Geld aus. Unten tickte die Taxameteruhr und zeigte
mit jeder Minute einen höheren Preis an.
    »O nein, jetzt entkommen Sie
mir nicht wieder so schnell!« Seggelin lachte und stieg mit den Geldscheinen in
der Hand die Stufen zur Galerie empor. »Adriana wird die Sache für Sie
erledigen.«
    Herr Seggelin ließ lange auf
sich warten, und als er wieder erschien, trug er einen korrekten dunklen Anzug,
weißes Hemd und graue Krawatte.
    Er kam rasch die Treppe
herunter und machte eine kleine Verbeugung vor Bettina. »Ich freue mich
außerordentlich über Ihren Besuch«, sagte er förmlich, als sei der andere Herr,
der vor zehn Minuten nach Seife duftend im Bademantel aufgetaucht war, nicht
der eigentliche Seggelin gewesen. Er steuerte auf einen Schrank aus schwerem,
dunklem Holz zu, öffnete ihn und wies auf eine unübersehbare Galerie Flaschen
hin, die jeder Bar Ehre gemacht hätte. »Was darf ich Ihnen zu trinken geben?«
    »Einen Sherry, bitte.« Bettina
erwog die Chancen, hier etwas zu essen zu bekommen. Sie hatte außer ein paar
Happen zum Frühstück den ganzen Tag nichts zu sich genommen. Seit Tagen nichts
als Hunger, dachte sie, und diese Filmgangster sind schuld daran! Wie kam sie
je aus diesem Schlamassel wieder heraus.
    Ludwig Seggelin kam mit dem
Sherry. Er selbst hatte sich einen Gin Tonic gemixt.
    Bettina leerte ihr Glas in
einem Zug. Sie faßte Mut und sah Herrn

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