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Ein Herz bricht selten allein

Ein Herz bricht selten allein

Titel: Ein Herz bricht selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gitta von Cetto
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er ein paar Schritte
gegangen war, rief sie ihm zu: »Da kommt Mama.« Nancy sprang auf, holte ihn ein
und schob ihren Arm unter seinen. »Mama müssen Sie unbedingt kennenlernen, Sie
können jetzt nicht einfach weglaufen. Das wäre zu unhöflich.«
    Nancys Mutter trug einen
farbenfreudigen Badeanzug, auf dem drei verschiedene Rot, Lila und ein giftiges
Grün prangten. Unter dem azurblauen Strohhut, der auf ihrem Kopf wippte, hätte
eine vierköpfige Familie im Schatten wandeln können. Sie reichte Poldi ihre
weichgepolsterte Hand und sagte ihm, wie sie sich freue, Annas Sohn
kennenzulernen. Dann weihte sie ihn in ihre Pläne ein. Sie wollte ein Motorboot
mieten und eine Inselrundfahrt machen mit Nancy und selbstverständlich auch mit
Poldi. »Frank fällt leider aus, er muß auf ein Ferngespräch aus New York
warten«, berichtete sie. »Seien Sie ein lieber Junge und besorgen Sie uns das
Boot.«
    »Hier werde ich keines
bekommen. Ich müßte nach Portoferraio oder Azzurro.«
    Nancy erklärte ihrer Mutter,
daß Poldi nicht motorisiert sei.
    »Nehmen Sie unseren Wagen. Wenn
Sie zurück sind, lunchen wir zusammen, und dann fahren wir los. Rufen Sie Ihre
Mutter an. Sie soll auch mitmachen.« Susan war es gewöhnt, auf Reisen das
Vergnügungsprogramm zu gestalten. Je turbulenter, um so besser.
    »Ich kann sie nicht anrufen, in
ihrem Eselsstall gibt es kein Telefon.«
    Susan, die unter dem
gigantischen Schatten ihres Hutes zum Meer schritt, sagte: »Dann werden wir sie
einfach abholen mit dem Boot.«
     
    Poldi begegnete seiner Mutter,
als er sich mit Franks Mietwagen auf die Bootssuche begeben hatte. Beide
bremsten scharf, und Anna lief über die Straße und klammerte sich mit beiden
Händen an die Tür seines Wagens, als könne Poldi plötzlich Gas geben und auf
und davonfahren.
    »Wie kommst du zu diesem
Wagen?« fragte sie atemlos.
    »Geklaut«, sagte er grinsend.
»Ich will ein Motorboot mieten und dann von hier abhauen, entweder nach Korsika
oder nach Sardinien.«
    Anna kämpfte mit
Schwindelgefühl. Was war aus ihrem kleinen Jungen geworden, der mit
verschwollenem Gesicht und zerschundenen Knien aus der Schule heimkam, weil er
stets mit den Fäusten für Gerechtigkeit und Ehrlichkeit gestritten hatte?
    »Gib mir das Geld«, sagte sie
und bekam ihren harten Mund.
    »Was für Geld?«
    »Das Geld, das du Bettina aus
dem Koffer genommen hast.«
    Aber Poldi lachte nur statt
einer Antwort, und plötzlich verlor Anna die Nerven. Es war einfach zuviel, was
die Kinder ihr zumuteten. War sie eine Löwenbändigerin? Sie legte den Kopf auf
das heruntergekurbelte Fenster von Poldis Wagen und schluchzte.
    Poldi sah ratlos auf seine
Mutter, die bei 40 Grad Hitze auf der staubbedeckten Teerstraße stand und
bittere Tränen vergoß. Völlig grundlos. Er strich ihr unbeholfen übers Haar,
und eine Welle von Zärtlichkeit ließ ihm seine eigene Stimme fremd vorkommen.
»Du glaubst doch nicht im Ernst, daß ich das Geld von Herrn Dingsbums — Biggele
oder Wiggele oder wie er heißt — geklaut habe? Es war ein Jux, weiter nichts.
Ich wollte nur Bettinas Reaktion sehen. Der Zaster liegt unter Bettinas
Matratze. Ich habe ihn ihr untergeschoben, als sie schlief.«
    »Poldi!«
    Ein Lastwagen, der an dem Wagen
nicht vorbeikam, begann ungeduldig zu hupen. »Wir stehen hier aber auch
wirklich dumm«, sagte Poldi. »Komm ‘rein zu mir. Ich muß für die komische Frau
deines Freundes ein Motorboot besorgen. Wir wollen eine Inselrundfahrt machen.
Sie bittet dich, auch mitzukommen.«
    Anna stieg zu Poldi in den
Wagen und lehnte den Kopf an seine Schulter. Sie fühlte sich wie ein Kind, das
sich weh getan hat und nun von einem wunderbaren, starken und überlegenen Mann
getröstet wird. »Wie kommst du überhaupt hierher?« fragte sie.
    »Ich wollte Nancy beschnuppern.
Rein sachlich, sie interessiert mich. Ohne jeden Hintergedanken. Denn als Frau
ist an ihr selbstverständlich gar nichts, was mich reizen könnte.«
    »Selbstverständlich.« Anna
hoffte, daß ihre Stimme keine Ironie verriet.
    »Sie ist ja fast häßlich.«
    »Ja.«
    »Und schrecklich anmaßend ist sie,
wie alle diese Mädchen.«
    »Welche Mädchen? Die zielbewußt
leben?«
    Poldi hielt sich die Ohren zu.
»Oh...«, stöhnte er. »Ich habe heute schon genug ähnliche Parolen gehört.«
    »Nimm das Steuer in die Hand,
ich bitte dich!« rief Anna.
    Poldi fuhr eine saloppe Kurve
und lachte. »Weißt du, Mama, wir kämen wunderbar miteinander aus, wenn du nur
deine erzieherischen

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