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Ein Herz bricht selten allein

Ein Herz bricht selten allein

Titel: Ein Herz bricht selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gitta von Cetto
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wollte.
    »Ihr Amerikanerinnen seid
verdammt selbstbewußt und eingebildet. Ich frage mich nur, worauf«, knurrte er.
Er malte mit den Fingern ein N in den Sand und kreuzte es aus. Nancy war für
ihn abgeschrieben.
    Nancy rückte näher an ihn
heran, beunruhigend nah, dieses sportliche, schön gewachsene Geschöpf. Der
Blick ihrer grauen Augen ruhte forschend auf ihm. »Sie haben nichts von Ihrer
Mutter, absolut nichts«, stellte sie fest.
    »Ich weiß. Zu Mamas größtem
Ärger. Sie hätte mich so gern nach ihrem Ebenbild geknetet. Man kann es
verstehen. Jede Mutter möchte gern einen Sohn, auf den sie stolz sein kann. Ich
aber bin faul. Faulheit als Weltanschauung, verstehen Sie. Und was die Ordnung
betrifft, so ist sie ganz einfach eine Fiktion ängstlicher kleiner Geister.
Warum muß man abends seine Schuhe Spitze an Spitze vors Bett stellen? Oder
seine Bücher mit braunem Packpapier einbinden? Meine Mama ist mir mit ihrer
Ordnung so entsetzlich in den Ohren gelegen, daß ich so frei war, von einem
gewissen Alter an über diesen überlieferten Unfug nachzudenken.«
    »Und dann haben Sie sich
entschlossen, ein Schlamper zu werden?«
    »Ja, genau das.«
    »Und faul sind Sie auch? Darf
ich fragen, warum?«
    »Darf ich fragen, warum Sie
nicht faul sind?«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Man sieht es Ihnen auf den
ersten Blick an. Sie gehören zu den Mädchen, von denen man sagt: Sie machen
ihren Weg.«
    »Hoffentlich. Haben Sie
irgendwelche Einwände?«
    »Wissen Sie, jeder macht seinen
Weg. Nur habe ich mich entschlossen, nicht so viel Umwege zu machen wie die
anderen Menschen.«
    »Umwege wohin? Zum Erfolg?«
    Poldi verzog das Gesicht und
hielt sich die Ohren zu. »Ein grauenhaftes Schlagwort. Ich meine die Umwege bis
zum Ende, bis zum sogenannten letzten Stündlein.«
    Nancy richtete sich auf und
schüttelte sich den Sand aus den Haaren. »Ich finde Ihre Theorie kindisch, eine
läppische Auslegung der persönlichen Freiheit«, sagte sie. »Schwimmen Sie mit
mir eine Runde, oder sind Sie selbst dazu zu faul?«
    Poldi rührte sich nicht von der
Stelle, als sie ins Meer lief. Er blinzelte ihr unter nahezu geschlossenen
Lidern nach, wie er es heute früh getan hatte. Nancy war eine ärgerliche
Erscheinung. Ärgerlich, weil sie ihn beschäftigte. Warum? Wie kam er dazu, sich
von ihr anöden zu lassen, nur weil sie die Tochter von Mamas Jugendliebe war?
Was hatte ihn überhaupt veranlaßt, zehn Kilometer in dieser Knallsonne
hierherzumarschieren? Es gab weiß Gott hübschere und liebenswürdigere Mädchen
und vor allen Dingen gescheitere. Und modernere. Nancy war beschränkt,
verstrickt in bürgerliche Vorurteile und natürlich karrierebesessen wie all
diese amerikanischen Ziegen. Er lief zum Meer und warf sich mit einem
Hechtsprung ins Wasser.
    Nancy war schon weit
hinausgeschwommen. Als sie endlich umkehrte, schnitt Poldi ihr den Weg ab.
    »Warum sind Sie eigentlich so
patzig zu mir? Habe ich Ihnen was getan?« fragte er. Er war atemlos vom
schnellen Schwimmen.
    Nancy lachte fröhlich. Sie spritzte
ihm Wasser in sein feierliches Gesicht. »Ich sehe in Ihren Augen die Mordlust.
Am liebsten würden Sie mich ersäufen.«
    Er schwamm schweigend neben ihr
her, und als sie am Ufer angelangt waren, warf er sich neben ihr in den Sand
und grollte.
    »Haben Sie Ihr Auto hier unten
oder oben am Hotel geparkt?« fragte sie.
    »Ich besitze kein Auto. Ich
besaß nie eines, und wahrscheinlich werde ich nie eines besitzen.«
    Das saß. Er hatte es nicht
anders erwartet. Nancy starrte ihn fassungslos an. »Wie sind Sie denn dann
hierhergekommen?« wollte sie wissen.
    »Zu Fuß. Und die letzten sechs
Kilometer hat mich ein Italiener mitgenommen.«
    Sie lag auf dem Rückeri und
holte tief Atem und lächelte. Sie wußte, daß sie nicht hübsch im landläufigen
Sinn war, aber sie wußte auch, daß sie ihm gefiel, und überraschenderweise war
sie glücklich darüber. »Wissen Sie, was Sie sind? Für mich sind sie ein als
Strolch verkleideter, etwas zu weicher und daher gern etwas ruppiger,
stinknormaler Mann.«
    »Danke, das wollte ich nur
hören, und deshalb bin ich auch stundenlang in dieser Affenhitze
hierhergepilgert.« Er stand auf und reckte sich. »Ich habe noch eine
finanzielle Angelegenheit zu erledigen, ich haue ab. Per sempre«, sagte er halb
im Gähnen.
    »Was heißt per sempre?«
    »Für immer. Arrivederci.«
    »Tschau, Poldi.«
    Er bückte sich und warf eine
Handvoll Sand auf Nancys Bauch. Dann schlenderte er davon.
    Aber als

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