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Ein Herz bricht selten allein

Ein Herz bricht selten allein

Titel: Ein Herz bricht selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gitta von Cetto
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Himmel, der so viel Plage
brachte.
    Poldi richtete Anna Grüße von
Frank aus.
    »Danke.« Anna, die auf einem
karierten Papier am sechsten Entwurf ihres Hauses malte, blickte zerstreut auf.
»Wieso? Ist Frank denn aus Korsika zurück?«
    »Nein, aber er hat mit Nancy
telefoniert. Er kommt übermorgen.« Poldi, der sich dazu bequemt hatte, den
Wagen zu waschen, warf den Schwamm in den Eimer und kam zu Anna. »Ich finde,
für einen Amerikaner ist er kolossal in Ordnung«, sagte er. »Er hat den
notwendigen common sense, aber daneben auch Sinn für die Kunst, für die Natur,
für gutes Essen, für gute Musik, für Humor. Er ist tolerant, und außerdem sieht
er blendend aus, findest du nicht?«
    »Ich kann das schwer
beurteilen, weißt du, ich kenne ihn schon zu lange«, meinte Anna ausweichend.
Sie hatte sich in den letzten Tagen viel zuviel mit Frank befaßt. Sie war sogar
so weit gegangen, sich ein Leben mit ihm vorzustellen. Nicht nur vorzustellen,
sondern zu wünschen. Aber daran war nur der Schirokko schuld. Die größten
Dummiane erinnern sich bei Schirokko daran, daß sie einen Kopf haben, bloß weil
es in den Schläfen puckert. Warum sollen sich Frauen nicht daran erinnern, daß
sie ein Herz haben?
    »Wieso kannst du das nicht
beurteilen? Du hast ihn doch mal geliebt, das wissen wir doch«, sagte Poldi
aggressiv. »Was sagst du überhaupt zu seiner Frau? Ich finde sie einfach fünf
Klassen zu primitiv für ihn, du nicht?«
    Der Bleistift in Annas Hand
machte einen unbeabsichtigten Fahrer über das Papier, wodurch der Wohnraum, an
dem sie zeichnete, in zwei Teile zerlegt wurde. Mußte sie sich von einem Sohn
derartige Fragen gefallen lassen? Das waren die Nachteile des
kameradschaftlichen Tones zwischen Mutter und Kindern.
    »Im Grunde findest du sie ganz
unmöglich, gib es nur zu«, forderte Poldi erbarmungslos. »Du genierst dich
aber, es auszusprechen, weil das nach kleinlicher Eifersucht riechen würde.«
    Anna zerknüllte die verpatzte
Skizze zu ihrem Haus. »Sag mal, wo bin ich eigentlich? Solche Fragen
beantwortet man auf einer Couch beim Psychoanalytiker.«
    Poldi tauchte den Schwamm ins
Wasser und drückte ihn mit beiden Händen über dem Kühler aus. »Nur mit dem
Unterschied, daß du beim Seelenspengler dafür blechen mußt. Bei mir kriegst du
das alles gratis«, sagte er lachend. »Also, du findest auch, daß Frank die verkehrte
Frau am Hals hat. Er solle mit dir zusammenleben, das ist eine ganz einfache
Feststellung und keineswegs eine verwerfliche. Ich weiß gar nicht, was für ein
Brimborium die Menschen immer um diese simplen Dinge machen.«
    »Ich will mich bemühen, sie so simpel
zu finden wie du.«
    Er nickte ihr anerkennend zu.
Wenn Mama so weitermachte, brauchte man die Hoffnung noch nicht aufzugeben.
    »Brauchst du den Wagen heute?«
fragte er lässig.
    Anna raffte sich auf. »Ja.«
    Er hielt im Wischen inne und
blickte zu Anna herüber, als hätte sie eine Ungeheuerlichkeit ausgesprochen,
etwas, das eine Mutter eigentlich nicht in den Mund nehmen sollte. »Du brauchst
ihn heute?« fragte er ungläubig.
    »Ja, ich brauche ihn heute.
Ausnahmsweise.«
    »Wenn ich das gewußt hätte...«
Sein Arbeitseifer war mit einem Schlag erloschen.
    »...dann hättest du ihn nicht
gewaschen«, sprach Anna den Satz für ihn zu Ende.
    »Wozu brauchst du ihn denn?«
    »Ich brauche ihn eben. Ich
möchte auch mal einen Ausflug machen.« Es war höchste Zeit, endlich einen gesunden
Egoismus aufzubauen. Kein Kind dankt es einer Mutter, wenn sie mit ihren
persönlichen Wünschen immer zurücksteht.
    »Ich dachte, du wolltest
arbeiten. Den Werbetext für das neue Waschzeug da schreiben.«
    »Das laß nur meine Sorge sein«,
sagte Anna, und sie horchte erstaunt auf, denn es war gar nicht mehr ihre
eigene Stimme, es war die scharfe, auf Einschüchterung bedachte Stimme ihrer
früheren Studienrätin, Fräulein Martha Sprengelheim, deren Mund beim Verkünden
ihrer Meinung immer die Form einer bleistiftgeraden, schlecht vernarbten
Schnittwunde annahm. Aber weil Anna nun schon mal diesen Ton gefunden hatte,
von dem sie nicht wußte, ob es der rechte war (aber jedenfalls war es ein
eindrucksvoller), fuhr sie fort: »Ich glaube, ich habe es wirklich nicht nötig,
mich an meine Pflichten erinnern zu lassen. Wenn du nur den zehnten Teil von
dem tätest, was ich tue, hättest du längst dein eigenes Auto, und wir könnten
uns diese unerfreuliche Debatte ersparen.«
    Das war genau die verkehrte
Art, Poldis Schwierigkeiten

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