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Ein Herz bricht selten allein

Ein Herz bricht selten allein

Titel: Ein Herz bricht selten allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gitta von Cetto
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Hotel
zu bezahlen und sorglos nach Deutschland zu fahren. Seggelin mußte den Umschlag
heimlich in ihre Tasche manövriert haben.
    Bettina setzte sich auf die
Bettkante und versuchte, die Bilanz ihres Lebens zu ziehen. Der Kompaß wies
eindeutig in Richtung Heimat, auf die Ehe mit Bernhard, die sie aus ihren
Bruchstücken wieder zusammenbasteln mußte, auf ein geregeltes Dasein mit
Frühstück, zwei warmen Mahlzeiten am Tag und am Abend Fernsehen und
Kreuzworträtsel. Oder Krach, wenn Bernhard wieder Seitensprünge machte. Einmal
im Monat ins Theater, auf Abonnement, jede zweite Woche zum Friseur,
zwischendrin die Haare selbst waschen und wickeln. Wäre alles nicht schlimm,
wenn Bernhard und ich glücklich miteinander wären, dachte Bettina und
streichelte nachdenklich die weiche Wolldecke ihres Luxusbettes. Das Zimmer lag
im vierten Stock. Man könnte aus dem Fenster springen, man könnte sich auch
einfach wohlig hintenüber fallenlassen auf das breite Bett. Bettina entschied
sich für das Bett.
     
    Anna zerbrach sich nach
Bettinas übereilter Abfahrt den Kopf, was nun zu tun sei. Das viele Geld, das
ihr nicht gehörte, bedrückte sie. Wenn sie aus dem Haus ging, schleppte sie es
in einem kleinen Luftköfferchen mit sich, und nachts legte sie es unters
Kopfkissen. Sie wachte jede Stunde auf und lauschte, ob sie auch kein verdächtiges
Geräusch hörte.
    Poldi schlief wie ein Bär. Er
lachte sie wegen ihrer Ängste aus. »Stell dir vor, du wärst ein Bankkassierer
und müßtest jeden Tag das Zehnfache mit dir herumtragen.«
    Aber Anna wollte es sich nicht
vorstellen. »Du hast das Ganze eingebrockt«, sagte sie ärgerlich.
    Er lachte. »Soll ich die Suppe
auslöffeln? Gib ihn mir, den Zaster, ich werde schon damit fertig.« Er stand
jetzt immer erstaunlich früh auf. Wenn er gefrühstückt hatte, lieh er sich
Annas Wagen mit den Worten »Du-brauchst-ihn-ja-sicher-heute-doch-nicht«, und
weg war er. Abends kam er spät wieder, erzählte von tollen Steinformationen bei
Nisporto, von den Pinienwäldern auf dem Monte Capanne und von der
ausgezeichneten Pizza, die man in Rio Marina aß. Nancy erwähnte er nur am Rande.
Jetzt hat’s ihn erwischt, lautete Annas Diagnose, aber sie wußte, was sich für
eine Mutter schickte. Man machte seine Beobachtungen und hielt den Mund.
    Frank war mit Susan einige Tage
nach Korsika gefahren, weil Susan Wert darauf legte, von A bis Z alles gesehen
zu haben, um es dann abhaken zu können.
    Anna kochte die Frühstückseier,
eines für sich, zwei für Poldi, während er einen Lärm vollführte, als machten
etliche Robben Morgentoilette. Er duschte sich. Als er damit fertig war, hörte
Anna, wie er sich mit einem Plumps im Liegestuhl niederließ. Könnte er ihr wohl
mal beim Frühstückbereiten helfen, wenigstens die Tassen auf den wackligen
Tisch vors Haus tragen? Sie sagte: »Bitte, wühl mal in deinem Gedächtnis.
Bettina hat dir doch sicher erzählt, wie der Mann hieß und wo er lebt.«
    »Welcher Mann?« Er gähnte, um
Anna sein Desinteresse an Bettinas belanglosen Erlebnissen darzutun, und
verschwand in seiner Kammer.
    Anna deckte den Tisch und
schluckte ihre Frage hinunter, wie er nun seine nächste Zukunft zu gestalten
gedenke und ob überhaupt.
    Poldi ließ lange auf sich
warten, und Anna begann mit dem Frühstück. Als er endlich erschien, war aus dem
wilden, bärtigen Burschen ein gutaussehender, glattrasierter junger Mann mit
einem etwas verlegenen Lächeln auf den Lippen geworden. In seinen Mundwinkeln
lauerte die Angst, Anna könnte seine Rasur mit einer spöttischen Bemerkung
kommentieren. Aber Anna, ebenso betreten wie Poldi, tat so, als nähme sie die
Umwandlung überhaupt nicht wahr.
    Sie füllte seine Tasse in der
Aufregung so voll, daß sie überschwappte. Poldi setzte sich an den Tisch, Anna
reichte ihm den Zucker, das Brot und die Butter, und dann sagte sie in einem
leichten Konversationston: »Du mußt jetzt aufpassen, daß du keinen Sonnenbrand
bekommst. Ich habe eine sehr gute Schutzcreme da, ich werde sie dir geben.«
    Er bestrich sich sein Brot mit
Butter, packte einen riesigen Keil Käse darauf und warf, ehe er in das Brot
biß, Anna einen dankbaren Blick zu. Die taktvolle Art, wie sie seine
Verwandlung in einen durchschnittlichen Europäer behandelte, zwang ihm restlose
Bewunderung ab. »Findest du mich ohne Bart besser als mit?« erkundigte er sich,
nachdem er seine Verlegenheit weggeräuspert hatte.
    »Ich finde dich immer gut.«
Anna köpfte ihr Ei. »Wie

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