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Ein Herzschlag bis zum Tod

Ein Herzschlag bis zum Tod

Titel: Ein Herzschlag bis zum Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara J. Henry
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Mutter gewesen war, wenn sie abends ausging.
    »Hübsch, hübsch, hübsch!«, verkündete er.
    Ich steckte mir die Haare locker mit Kämmen nach hinten, wie Kate es mir empfohlen hatte. Die Frisur passte sehr gut zu meinen Locken, das erkannte sogar ich. Der Eyeliner ließ meine Augen größer erscheinen, und ich begriff allmählich, warum Frauen solches Zeug benutzen. Ich wühlte in meiner Kulturtasche nach dem einzigen Schmuckstück, das ich besaß: |214| einer Kette mit einem Geburtsstein, den mir meine Eltern zum sechzehnten Geburtstag geschenkt hatten.
    Als ich herauskam, lächelte Philippe. »Du siehst wunderbar aus.«
    Zu behaupten, ich sei nervös, wäre stark untertrieben gewesen. Aschenputtel geht nicht jeden Tag auf einen Ball. Als ich aber vor dem Château Laurier aus dem Auto stieg, beschloss ich, mir von meiner Nervosität nicht den Abend verderben zu lassen. Wir plauderten mit Bekannten von Philippe, knabberten Horsd’œuvres und tranken trockenen Wein. Und wir tanzten. »Philippe, ich kann das nicht«, zischte ich, als er mit mir auf die Tanzfläche marschierte.
    »Geht ihr in Lake Placid nicht tanzen?«
    »Schon, aber nicht so. Keine festen Schrittfolgen und so was.«
    »Es ist ganz einfach, ich zeige es dir.« Er drängte mich auf die Tanzfläche und führte mich, bis ich mich unbewusst mit ihm bewegte.
    »Siehst du? Ich wusste, dass du es kannst.« Er lächelte, und mein Herz machte einen Sprung. Das Klischee stimmte also.
    Auf dem Heimweg lehnte ich mich entspannt in den Ledersitz. »Danke schön.«
    »Wofür?«
    »Dass du mich heute Abend mitgenommen hast. Dass ich einen tollen Abend hatte.«
Dass du mich wie eine Frau behandelt hast. Dass du mir bewiesen hast, dass ich es kann.
    Er lächelte, sagte aber nichts, und ich schlief ein, bevor wir zu Hause waren. Ich wachte auf und schlich auf Zehenspitzen zu Paul, um ihm einen Gutenachtkuss zu geben. Dann hängte ich mein schönes Kleid auf, zog T-Shirt und Shorts an, wusch mir das Gesicht und fiel ins Bett.
    Beim Frühstück zeigte Elise mir die Gesellschaftsseite des
Ottawa Citizen
. »Sehen Sie mal«, sagte sie glücklich. »Ein Bild von Ihnen und Monsieur Dumond.« Und da waren wir, als wir |215| gerade das Château Laurier betraten. Philippe wirkte attraktiv und natürlich, und einen Augenblick lang erkannte ich mich gar nicht. Ich erinnerte mich unwillkürlich an das Foto von Madeleine in der Zeitschrift aus Montreal, das ich vor einer Ewigkeit gesehen hatte.
Du bist keine Madeleine
, sagte eine kleine, gemeine Stimme in mir.
    Das wusste ich natürlich. Aber ich war auch nicht mehr die alte Troy.
    Als alle die Zeitung gelesen hatten, schnitt ich das Foto aus und versteckte es gut.

|216| 33
    Am Montagmorgen begann der neue Alltag. Ich hatte seit der High School keinen so geregelten Tagesablauf mehr gehabt.
    Nach dem gemeinsamen Frühstück brachte Philippe Paul zur Schule und fuhr von dort aus ins Büro. Ich arbeitete, las, ging laufen oder fuhr Rad. Dann stattete ich Elise einen Besuch in der Küche ab. Später holte ich Paul von der Schule ab und ging nach seinem Mittagsimbiss mit ihm und Tiger nach draußen spielen. Philippe und ich hielten es für sicher, solange er mit mir und einem großen Hund unterwegs war. Danach ruhte er sich aus, machte Hausaufgaben oder spielte, bis sein Vater nach Hause kam. Die Abende verliefen geradezu beschaulich ruhig. Claude kam regelmäßig zum Essen, und ich gewöhnte mich daran, seine Angriffe zu parieren. Allmählich betrachtete ich die Unterhaltungen mit ihm als ein Spiel, das ich zu gewinnen trachtete. Manchmal gelang es mir sogar.
    Ich brauchte nicht zu kochen, zu putzen oder einzukaufen, außer wenn ich Elise einen Gefallen tun konnte oder Lust auf etwas bekam, das sie nicht vorrätig hatte. Ich versuchte, meine Wäsche selbst zu waschen, obwohl Elise das sehr schnell merkte und alles bügelte, was ihrer Meinung nach gebügelt werden musste. Somit sah ich deutlich adretter aus als sonst.
    Ohne Entführer, misstrauische Polizisten und die Tatsache, dass ich jeden Abend allein ins Bett ging, hätte es ein wunderbares Leben sein können.
    Dennoch war ich mir bewusst, dass ich mich auf einem schmalen Grat bewegte. Ich gehörte zu ihrem Leben, aber nicht |217| ganz. Paul hatte seinen Vater und Elise. Er ging fünf Tage in der Woche zur Schule, und in ein bis zwei Wochen wäre es Zeit für mich, nach Lake Placid zurückzukehren. In ein Leben, das mir fremd geworden war.
    Im Moment hatte ich ziemlich viel

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