Ein Herzschlag bis zum Tod
das ist einer der Gründe, aus denen ich die ganzen Unterlagen durchgehe. Ich suche nach Abweichungen. Ich wollte dich aber noch etwas anderes fragen.« Er holte einen dicken Umschlag aus seiner Aktentasche und reichte ihn mir.
»Was ist das?« Ich drehte ihn neugierig um.
»Am Samstagabend feiert einer meiner Kunden das 2 5-jährige Jubiläum seiner Firma. Mach ihn auf.«
Es war eine schwere, cremefarbene Karte, wie man sie zu exklusiven Hochzeiten verschickt. Eine Einladung zu einer Party im Château Laurier, einem Hotel in der Nähe des Parlaments, das wie eine Burg aussah. »Ziemlich schick.«
»Ja, diese Leute machen nie etwas im normalen Maßstab. Möchtest du hingehen? Ich weiß, es ist sehr kurzfristig, aber ich hatte es vergessen.«
»Ich? Da hingehen?«, fragte ich beinahe erschrocken.
Philippe lachte. »Ja, du. Die Einladung gilt für zwei Personen, die meisten Leute bringen jemanden mit. Es ist gut fürs Geschäft, wenn ich mich in der Öffentlichkeit blicken lasse. Gehe ich allein, muss ich zu viele Leute abwimmeln. Es ist angenehmer, jemanden dabeizuhaben.«
Troy, der menschliche Puffer. Sicher würden ihn die Leute nicht nach seinem Privatleben fragen, wenn ich dabei war. Vermutlich wussten nur seine Mitarbeiter, dass er verwitwet war. Ich griff noch einmal zu der Einladung. »Was zieht man denn zu einer solchen Party an?«
»Ich ziehe einen Anzug an. Und du ein Cocktailkleid.« Ich |212| guckte dumm, und er lächelte. »Ich nehme an, du hast keins dabei.«
»Ich besitze überhaupt keins.«
Er zog die Augenbrauen hoch. »Möchtest du denn hingehen? Du kannst dir hier ein Kleid besorgen.«
Fast hätte ich nein gesagt. Aber das wäre die alte Troy gewesen. Ich zögerte und stürzte mich dann ins kalte Wasser. »In Ordnung. Aber ich brauche Hilfe beim Einkaufen, allein kann ich das nicht.«
Er war einverstanden, und in diesem Moment liebte ich ihn, weil er mich nicht ausgelacht hatte. Am nächsten Morgen zogen wir mit Paul durch die Boutiquen.
Philippe hatte Ahnung, das musste ich ihm lassen. Er fand die richtigen Geschäfte und die richtigen Verkäuferinnen, die uns zu den richtigen Kleidern auf den Sonderangebotsständern führten. Er wusste, dass ich sparen musste und nie etwas von ihm angenommen hätte. Er sah die Kleider durch und suchte einige aus, was Paul sehr spaßig fand. Beim dritten Kleid im zweiten Laden hob er die Hand.
»Das ist es.«
Ich selbst hätte es niemals in Betracht gezogen. Lange Ärmel, schulterfrei, darin würde ich doch lächerlich aussehen. Dennoch zog ich es an, und als ich in den Spiegel sah, schaute mir ein völlig anderer Mensch entgegen. Einen Augenblick lang konnte ich nicht atmen.
Ich trat zögernd aus der Kabine. Philippes Gesicht sagte mir, dass ich recht gehabt hatte. Ich war ein neuer Mensch geworden. Es war ein seltsames Gefühl, ein anderes Ich zu entdecken. Paul klatschte in die Hände. Ich warf einen Blick aufs Preisschild und zuckte zusammen. Dann holte ich tief Luft. »In Ordnung.«
Selbst im Schlussverkauf ist es nicht billig, gut auszusehen.
|213| Den erforderlichen Schuhkauf erledigten wir am nächsten Morgen und ließen Paul bei Elise. Hoffentlich dachte sie nicht, Philippe würde mir Kleider kaufen; hoffentlich merkte sie, dass alles rein platonisch war.
Das Schuhekaufen machte überhaupt keinen Spaß. Meiner Ansicht nach sind die meisten Frauenschuhe Folterinstrumente, die die Füße deformieren sollen – das moderne Gegenstück zum chinesischen Füßebinden. Ich weigerte mich schlichtweg, Pfennigabsätze oder spitze Schuhe zu tragen. Schließlich fanden wir ein Paar, das halbwegs bequem schien.
Nach dem Essen wagte ich mich allein ins Kaufhaus. Ich rief Kate an, die sich mit Kosmetik auskannte, und ließ mir sagen, was ich kaufen und was ich mit den Sachen anfangen sollte.
Letztlich gab ich die Liste einer Verkäuferin und nahm alles, was sie heraussuchte. Dann besorgte ich mir am Geldautomaten kanadisches Geld. Die meisten Dinge konnte ich mit Kreditkarte bezahlen. Aber manchmal braucht man auch Bargeld – für einen Schokoriegel oder eine Portion Poutine.
Heute Abend würde Paul zum ersten Mal mit Elise allein bleiben, aber Philippe würde sie von der Party aus mehrmals anrufen. Alles würde gutgehen.
Paul war aufgeregter als ich, stürzte ständig in mein Zimmer, während ich mich fertig machte, und hüpfte auf und ab, als ich herauskam. Ich fragte mich unwillkürlich, ob es vielleicht ein festes Ritual mit seiner
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