Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit
ist er an seinen Fensterplatz zurückgekehrt, von wo er mit leerem Blick auf die verrußten Backsteinwände der Lagerhäuser gegenüber schaut.
»Na«, sagt LaPointe, »schmeckt es Ihnen?«
Guttmann schiebt seinen Teller beiseite und schüttelt den Kopf. »Wie hieß das gleich?«
»Ich glaube, das heißt überhaupt nicht.«
»Wundert mich nicht.«
In der Stimme des Lieutenants klingt ein gewisser Stolz, als er sagt: »Das ist der schlimmste Fraß von ganz Montreal, vielleicht sogar von ganz Kanada. Darum kann man immer hierherkommen, wenn man mal reden möchte. Hier ist man immer ungestört.«
»Hm!« Guttmann bemerkt, daß dieser Grunzer genauso klang wie die mürrischen Antworten des Lieutenants.
Während des Essens hat LaPointe ihn vollgetankt mit dem, was er von Candy Al erfahren hat, außerdem mit einer Beschreibung dessen, was man unter ›Wäsche‹ versteht.
»Und Sie meinen, dieser Canducci hat Green getötet oder ihn töten lassen?«
»Möglich.«
Guttmann schüttelt den Kopf. »Mit jedem Hinweis kommen wir auf einen neuen Verdächtigen. Das ist schlimmer, als überhaupt keinen Verdächtigen zu haben. Wir haben diesen Tramp, den Vet. Dann haben wir diesen Arnaud, den Freund der Concierge. Und jetzt Canducci oder einen seiner Ganoven. Außerdem hätte es jede Frau auf der Main sein können, die nicht unter zehn oder über neunzig ist. Und was ist mit der Frau, mit der Sie unter vier Augen gesprochen haben? Die Lesbierin mit dem Café? Kommt die in Frage?«
»Ich glaub' schon. Sie hatte Grund und Gelegenheit dazu. Und sie ist dazu fähig.«
»Was ergibt das für uns? Vier Potentielle?«
»Vergessen Sie nicht Ihren Mr. W---. Sie haben ihm beinahe ein Geständnis entrissen.«
Guttmann spürt, wie sein Nacken heiß wird. »Ja, Sir. Das stimmt.«
LaPointe lacht vor sich hin: »Ich mach' keinen Quatsch.«
»Ach! Tatsächlich, Sir?«
»Nein. Sie denken ganz richtig. Sie denken wie ein guter Schutzmann. Aber vergessen Sie nicht, daß dieser Green ein Stück Scheiße war. Fast jeder, mit dem er in Berührung gekommen ist, hätte irgendeinen Grund, ihm den Tod zu wünschen. So 'n großes Wunder ist das gar nicht, daß wir hinter jeder Türe einen Verdächtigen finden. Aber damit wird's schon bald aus sein.«
»Aus? Wie – aus?«
»Die Spuren werden weniger. Das Gespräch mit Canducci brachte keine neuen Namen oder Adressen.«
»Die Spuren können auch weniger werden, weil wir bereits auf den Killer gestoßen sind. Und ihn ausgelassen haben.«
»Wir haben bis jetzt niemanden ausgelassen. Und es besteht noch immer die Möglichkeit, daß Carrot ein, zwei Namen einfallen, vielleicht eine Bar, wo er verkehrte.«
»Carrot?«
»Die Lesbierin.«
»Aber die ist doch selber verdächtig.«
»Um so eher hat sie Grund, uns zu helfen, das heißt, falls sie unschuldig ist. Aber ich glaube nicht, daß wir den Fall abschließen. Ich hab' so das Gefühl, wir stehen vor der letzten Tür, und wenn wir die aufmachen, stehen wir vor einer Wand.«
»Und das würde Ihnen nichts ausmachen?«
»Nicht viel. Jedenfalls nicht, seit wir wissen, was für 'n Kaliber dieser Bengel gewesen ist.«
Guttmann schüttelte den Kopf. »Das kauf ich Ihnen nicht ab.«
»Ich weiß. Aber ich hab' was Besseres zu tun, als irgendwelchen Schatten nachzujagen. Ich muß mich um die ganze Gegend hier kümmern.«
»Sagen Sie mir eines, Lieutenant: Wenn dieser Green ein netter Junge gewesen wäre, sagen wir einer, der auf der Main aufgewachsen ist – würden Sie da nicht mehr Druck dahintersetzen?«
»Wahrscheinlich. Aber einen Fall wie den kann man schlecht isoliert sehen. Wenn man so 'nem Bengel wie Green nachgeht, trifft man nur auf miese Typen. Fast jeder, auf den man trifft, ist schuldig. Die Frage ist lediglich, schuldig wofür.«
»Schuldig bis zum Beweis des Gegenteils?«
»Solange Anwälte so sind, wie sie sind.«
»Ich hoffe, ich werde nie so denken.«
»Bleiben Sie 'n paar Jahre auf der Straße, dann werden Sie so denken. Übrigens waren Sie in Canduccis Bar ganz ordentlich. Wir spazierten ohne Haftbefehl da rein, prügelten herum, und Sie führten sich auf ganz wie ein Bulle. Was ist denn nun mit dem ganzen Gerede von Bürgerrechten und Einhaltung der Vorschriften?«
Guttmann hebt die Hand und läßt sie wieder auf den Tisch fallen. Mit LaPointe kann man nicht diskutieren. Man kriegt ihn nie zu fassen. Aber Guttmann sieht ein, daß da was dran ist. Als er in dem gespannten Moment, da die Jungs sich nicht auf ihre
Weitere Kostenlose Bücher