Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit
nicht allmächtig!«
LaPointe nimmt seinen Roten von der Theke und schlürft ihn bedächtig. Er stellt das Glas erst wieder hin, als er sich von dem Schwindelgefühl und der Beklemmung in Brust und Oberarmen erholt hat, die ihn eine Minute zuvor urplötzlich überkamen. Als die letzte Kohlensäure aus seinem Blut verzischt ist, lehnt er sich mit dem Rücken an die Bar und schaut auf Canducci runter, der sich mit dem Zipfel seines Taschentuchs vorsichtig die Augenwinkel abtupft und dann mit zärtlicher Aufmerksamkeit den feuchten Fleck betrachtet.
»Sie sind mir mit dem Finger ins Auge gekommen! Ich trage Kontaktlinsen! Das kann für einen mit Kontaktlinsen gefährlich werden. Scheißbullen.« Allein und ohne seine Meute fällt er in die Rolle des winselnden kleinen Gauners zurück, pendelnd zwischen Leinwandhelden und geziertem Selbstmitleid.
»Wir werden uns über einen Freund von dir unterhalten«, sagt LaPointe, der jetzt Canducci gegenübersitzt.
»Ich habe keine Freunde!«
»Da ist mehr Wahres dran, als du weißt, Knallkopp. Er heißt Antonio Verdini, alias Tony Green.«
»Nie gehört.«
»Du hast ein Zimmer für ihn gemietet. Die Concierge kann das bezeugen.«
»Na, dann hat diese Concierge Scheiße im Hirn. Ich sage Ihnen, ich habe niemals diesen … wie er auch heißt.«
»Hieß.«
»Was?«
»Hieß. Nicht heißt. Er ist tot. Erstochen in einer Nebenstraße.« Da das Taschentuch Canduccis Augen verdeckt, kann LaPointe die Wirkung seiner Bemerkung nicht erkennen. Nach einer kurzen Pause sagt der Italiener: »Na, und -? Was hab' ich davon?«
»Zwanzig Jahre vielleicht. Auf Messerstechen seid ihr doch spezialisiert. Der Commissioner will auf Deibel komm raus 'ne Verhaftung. Da bist du doch dran – bei deinem Kerbholz. Und mir ist es völlig wurscht, ob du's gewesen bist oder nicht. Ich bin vollauf zufrieden, wenn ich dich von der Straße wegkriege.«
»Ich hab' diesen Scheißkerl nicht umgebracht! Ich hab' nicht mal gewußt, daß er tot ist, bis Sie's gesagt haben. Jedenfalls hab' ich 'n Alibi.«
»Oh? Für welche Zeit?«
»Nennen Sie mir eine, Bulle! Nennen Sie mir eine, und ich liefere ein Alibi dafür.« Candy Al betupft sich wieder das Auge. »Da muß mir 'n Blutgefäß geplatzt sein oder so was. Das werden Sie mir büßen. Wie man beim Glücksspiel sagt: Un jour ce sera ton tour.«
LaPointe langt über den Tisch und klopft Canducci dreimal auf die Backe, beim drittenmal nicht gerade sanft. »Willst du mir damit drohen?«
Candy Al zuckt bockig mit dem Kopf zur Seite. »Wann hören Sie endlich auf, Leute zu schlagen? Nie was von Polizistenbrutalität gehört?«
»Du wirst zwanzig Jahre lang Zeit haben, dich zu beschweren.«
»Ich sagte Ihnen bereits, daß ich zeitlich völlig abgedeckt bin.«
»Von denen?« LaPointe deutet mit dem Kopf zum Billardzimmer.
»Ja. Stimmt. Von denen.«
LaPointe schnauft kräftig durch die Nase. »Wie lange, glaubst du, hält so ein Bengel, der da drin mit dem Arsch auf den Händen sitzt, einem Verhör von mir stand?«
Canduccis Augen flackern; LaPointe hat ihn überzeugt. »Ich sage Ihnen, ich hab' den Kerl nicht umgebracht.«
»Du meinst, du hast ihn umbringen lassen?«
»Quatsch! Ich hab' diesen Verdini nicht mal gekannt!«
»Zumindest weißt du jetzt wenigstens, wie er hieß.«
Pause. Canducci denkt über seine Situation nach.
»Mit Bullen spreche ich nicht. Ich glaube, Sie haben überhaupt nichts in der Hand. Haben Sie 'n Zeugen? Haben Sie Fingerabdrücke? Haben Sie das Messer? Wenn Sie irgendwas gegen mich in der Hand hätten, würden wir nicht hier sitzen. Dann wären wir in der Stadt. Sie haben nichts, Bulle!« Canducci sagt das letzte laut, damit die Jungs im Hinterzimmer es hören. Er möchte, daß sie wissen, wie er mit Bullen umspringt.
Candy Als Überlegungen sind richtig, also muß LaPointe eine andere Taktik einschlagen. Er setzt sich in seinem Stuhl zurecht und schaut an Canduccis Kopf vorbei aus dem Fenster. Einen Augenblick lang sieht es so aus, als sei er in den Anblick von zwei Kindern versunken, die draußen trotz der Kälte ohne Mantel auf der Straße spielen.
»Ich höre, du hast was mit deinen Jungs da hinten«, sagt er abwesend.
»Was meinen Sie damit? Was reden Sie da?«
»Ich rede von dem Gerücht, daß du dir deine Jungs zum Vergnügen hältst. Daß du sie dafür bezahlst, daß du sie wie 'ne Frau gebrauchen kannst.« LaPointe zuckt die Achseln. »Dein knalliger Aufzug, deine Seidenhemden, dein Hüfthalter … da
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