Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit
eigentlich.
Er sitzt ihr gegenüber in seinem Lehnstuhl, während sie den heißen Kaffee schlürft und dabei wie ein Kind in die Tasse guckt. Seit ihrem Lachen vorhin, diesem kurzen Lachen, fühlt er sich wohler in ihrer Gegenwart. Die meisten anderen Mädchen hätten sich beim Anblick ihres verschandelten Gesichts in Schrecken und Selbstmitleid ergangen. »Wer hat Sie geschlagen?« fragt er.
Sie zuckt die Achseln und stößt mit dem typisch kanadischen Ausdruck von Wurstigkeit die Luft durch die Lippen: »Ein Mann.«
»Warum?«
»Erst hat er mir versprochen, ich könnte bei ihm übernachten, aber dann wollte er nichts mehr davon wissen.«
»Und Sie haben Krach geschlagen?«
»Na klar. Hätten Sie keinen geschlagen?«
Er lehnt den Kopf zurück und lächelt. »Kann mir so 'ne Situation schlecht vorstellen.«
Sie hält im Schlürfen inne, setzt die Tasse ab und schaut ihn groß an: »Was soll denn das heißen, verdammt noch mal?«
»Nichts.«
»Warum sagen Sie's dann?«
»Vergessen Sie's. Sie sind nicht von hier?«
Plötzlich ist sie auf der Hut. »Woher wissen Sie das?«
»Sie haben einen Downriver-Akzent. Ich bin selber in Trois Rivières geboren.«
»So?« Sie nimmt die Tasse wieder auf und schlürft, wobei sie ihn aufmerksam beobachtet und sich fragt, ob er mit seinem freundlichen Gerede vielleicht versucht, irgendwas umsonst zu kriegen. Er beugt sich, als er an das laufende Badewasser denkt, ruckartig vor.
Ihre Tasse scheppert, wie sie zurückschnellt und schützend ihren Arm hochreißt.
Da fällt ihm ein, daß die Wanne erst halb voll sein kann. Das Wasser läuft nur langsam durch die alten Rohre. Er setzt sich wieder in den Sessel. »Ich wollte Sie nicht erschrecken.«
»Sie haben mich nicht erschreckt! Ich hab' keine Angst vor Ihnen.« Sie ärgert sich, daß sie nach all ihrer Großsprecherei so automatisch in Deckung gegangen ist.
Ist das dasselbe junge Ding, das gerade noch über ihr Spiegelbild gelacht hat? Pauvre gamine. Zäh, rotzfrech, verwundbar, schreckhaft. »Ich dachte nur, die Wanne läuft über. Darum bin ich aufgesprungen. Ich lass' Ihnen ein Bad ein.«
»Ich will kein gottverdammtes Bad!«
»Es wird Sie warm machen.«
»Ich weiß noch nicht mal, ob ich überhaupt hierbleibe.«
»Dann trinken Sie Ihren Kaffee aus, und gehen Sie.«
»Ich will nicht mal Ihren Scheißkaffee!« Sie starrt ihn an und schiebt trotzig ihr schmales Kinn vor. Sie läßt sich von niemandem herumkommandieren.
Er schließt die Augen und seufzt tief. »Machen Sie. Nehmen Sie Ihr Bad«, sagt er ruhig.
Ach ja, der Gedanke an ein schönes heißes Bad … Also gut. Sie wird ein Bad nehmen. Nur um ihn zu ärgern. Dampf quillt heraus, als sie die Badezimmertür aufmacht. Das Wasser ist so heiß, daß sie nur nach und nach rein kann, nachdem sie mit dem Hintern vorsichtig vorfühlt, ehe sie sich ganz reinsetzt. Ihre Arme scheinen im Wasser über ihren kleinen Brüsten zu schweben. Die Hitze macht sie schläfrig.
Als sie wieder, nur mit seinem Bademantel bekleidet, ins Wohnzimmer kommt, sitzt er mit gesenktem Kopf und geschlossenen Augen in seinem Lehnstuhl. Die Hitze des Gasbrenners staut sich im Raum, und sie fühlt sich schwer und sehr schläfrig. Möchte es hinter sich bringen und dann ein bißchen schlafen.
»Sind Sie soweit?« fragt sie. »Wenn nicht, kann ich Ihnen helfen.« Sie läßt den Bademantel offen. Jetzt müßte er anspringen.
Er reißt sich aus seinen Wachträumen von seinen Töchtern und seinem Haus in Laval heraus und wendet ihr den Kopf zu. Sie ist so dünn, daß sie Löcher im Becken hat. Das schwarze Haargewirr in ihrem Schoß sieht aus wie Draht. Das eine Knie hält sie leicht eingeknickt, um fest auf beiden Füßen zu stehen. Die Brüste sind so klein, daß das Brustbein dazwischen wie eine Platte wirkt.
»Machen Sie den Mantel zu«, sagt er. »Sie werden sich erkälten.«
»Nu' mal langsam«, sagt sie argwöhnisch, »ich habe Ihnen im Park gesagt, daß ich keine Spezialitäten mache –«
»Ich weiß.«
Sie nimmt seinen Unwillen als Beweis dafür, daß er irgendeine Alt-Männer-Perversion erhofft hatte.
Er steht auf. »Schauen Sie, ich bin müde. Ich geh' jetzt ins Bett. Sie schlafen hier.« Während sie im Bad war, hat er das Sofa hergerichtet; er hat eines der Kissen aus seinem Bett genommen und zwei Hudsonbai-Decken aus dem oberen Schrankfach gezogen. Sie rochen ein bißchen muffig, aber es gibt nichts Wärmeres als eine Hudsonbai-Decke. Bezüge sind nicht da. Er hat nur
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