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Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit

Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit

Titel: Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevanian
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Lagerhäusern und Schuppen endet abrupt am Maschendrahtzaun eines wenig benutzten Frachtgut-Verschiebebahnhofs, dessen Gleise schwach aus einer dunklen Senke hinter dem Zaun hervorglimmen. LaPointe und Guttmann folgen dem Vet den steilen Damm hinab, gleiten halsbrecherisch über Schotter, bremsen mit den Füßen, um nicht Hals über Kopf in die unter ihnen liegende Finsternis zu stürzen.
    Am Fuße des Damms steigt der Vet mit der nachtwandlerischen Sicherheit dessen, der hier zu Hause ist, quer über die Gleise.
    LaPointe sagt ihm, er solle einen Moment warten, und schließt die Augen, damit die Pupillen sich schneller weiten. Der schmutziggraue Widerschein der Stadt wirkt wie Mondlicht im Nebel, Einzelheiten verdunkelnd und doch zu hell, als daß sich die Augen an das Dunkel gewöhnten. Schließlich kann LaPointe doch die Gleise und das Schimmern des Teers auf den Schwellen erkennen. Er sagt dem Vet, er solle weitergehen, aber nicht so schnell. Er fühlt sich unbehaglich und nicht in seinem Element, wie er da über diesen Schotterboden mit dem ganzen Unkraut läuft, der weder Stadt noch Land ist. Sie steigen über ein halbes Dutzend Schienenstränge und gehen dann parallel zu den Gleisen in westlicher Richtung. Schon bald macht Rost das Schimmern der Gleise stumpf, und wildwucherndes schwarzes Unkraut deutet darauf hin, daß sie in einem unbenutzten Teil des Verschiebebahnhofs sind. Gleis für Gleis endet an wuchtigen eisernen Prellböcken, bevor sie an dem letzten in einem großen Bogen vorbeigehen. Unvermutet schlägt sich der Vet jetzt seitwärts und krabbelt einen Abhang runter und durch verdorrte Kletten einen kaum erkennbaren Pfad entlang. Verwelktes Unkraut auf hohlen Halmen bröckelt vor Frost. Der Wind gerät im Trichter des Frachthofs ins Wirbeln, fällt LaPointes Mantel von hinten an und drückt ihn in der nächsten Minute gegen die Brust und dringt ihm durch den Kragen. Das einzige, was man hört, ist das Wehklagen des Windes und das harsche Rascheln ihrer Füße durch das Unkraut auf dem gefrorenen Boden. Auf diesem wüsten Eiland aus Finsternis und Schweigen mitten in der Stadt bewegen sie sich wie auf einer Insel. Um sie herum und doch in weiter Ferne kriechen die Lichter des Verkehrs in langen Doppelreihen dahin. Eine riesige Bierreklame, eine halbe Meile vom anderen Ende des Frachthofs entfernt, leuchtet auf, erst rot, dann gelb, dann weiß, rot-gelb-weiß, rot-gelb-weiß. Und von ganz weit weht die Sirene eines Rettungswagens herüber.
    Der Vet verlangsamt seinen Schritt und bleibt stehen. »Es ist genau da drüben, Lieutenant.« Er zeigt in Richtung der Klippe, die schemenhaft und schwarz gegen das vom Widerschein der Stadt an den Himmel geworfene Dunkelgrau aufragt. »Ich hole Ihnen die Brieftasche.«
    LaPointe späht durch die Düsternis, erkennt aber weder eine Hütte noch einen Schuppen.
    »Ich komme mit«, beschließt er.
    »Ich renn' schon nicht weg, ehrlich.«
    »Komm, komm. Es ist kalt. Machen wir's kurz.«
    Der Vet zögert noch immer. »Na, schön. Aber der muß nicht mit oder?«
    Guttmann drückt sein Haar fest, das der Wind zu Berge stehen läßt. »Ich werde hier warten, Lieutenant.«
    LaPointe nickt, dann folgt er dem Vet den dunklen Pfad entlang.
    Guttmann beobachtet, wie die schemenhaften Gestalten in die Dunkelheit eintauchen und dann, wie sich dicht am Damm entlanglaufen, ganz verschwinden. Aus dem Augenwinkel, aus dem man nachts besser sehen kann, erhascht er später eine schwache Bewegung. Er strengt seine Augen an, aber verliert die beiden aus dem Blick. Nach ein paar Minuten hört er aus der Ferne das Kreischen von Metall – nach dem Geräusch zu urteilen eine schwere Eisenplatte. Er mummelt sich in seinen Mantel ein und zieht das Kinn in den Kragen.
    Nach ungefähr zehn Minuten hört er das Knacken verwelkter und erfrorener Halme, dann sieht er sie zurückkommen. Der Vet geht gebeugt und schlapp, er sieht aus wie leergepumpt. Zum viertenmal in dieser Nacht sind Persönlichkeit und Auftreten des Penners abrupt umgeschlagen. Seine Lebensumstände haben jeden Anspruch auf Würde längst weggeschmirgelt, nur die leere Hülse des Stolzes ist geblieben, und auch die ist jetzt angeschlagen: Der Lieutenant hat seine schnuckelige kleine Bleibe gesehen. Er geht an Guttmann vorbei, ohne ihn eines Blickes zu würdigen, und führt die Polizisten wieder über das Feld mit dem erfrorenen Unkraut, den einzigen unbenutzten Schienenstrang mit seinen rostigen Gleisen entlang, wieder über

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