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Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit

Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit

Titel: Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevanian
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Sonntagnachmittagsspaziergang mit einer Matrone mittleren Alters am Arm vorstellen. Und dann nimmt in Guttmanns Kopf langsam das Bild eines LaPointe mit einer Frau im Bett Gestalt an …
    »Was ist?« fragt LaPointe. »Worüber lächeln Sie?«
    »Ach, nichts«, lügt Guttmann. »Es ist nur … ich weiß gar nicht, was ich hier eigentlich soll. Ich weiß nicht, warum ich nicht mit dem Wagen ins Quartier Général zurückgefahren bin.« Er stößt einen Seufzer aus und schüttelt über sich selbst den Kopf. »Ich werde noch ganz tranig vor lauter Müdigkeit.«
    LaPointe nickt: »Sie haben, was Gaspard ›die Sitze‹ nennt.«
    »Was?« Guttmann ist von dem unerwarteten Übergang ins Englische ganz durcheinander.
    »›Die Sitze.‹ Das ist, wenn man so müde und benommen ist, daß man nicht mal mehr die Kraft hat, aufzustehen und nach Hause zu gehen.«
    »Genau das hab' ich: die Sitze. Das paßt gut. Ich wollt', ich wär' schon im Bett.«
    LaPointe wirft ihm einen Blick zu, ein Lächeln in den Augen.
    »Nein«, lacht Guttmann. »Sie ist jetzt schon in ihrer Wohnung. Aber vielleicht ist noch was zu retten. Wir treffen uns morgen wieder.«
    »Wir werden morgen 'n bißchen was zu tun haben.«
    »Aber morgen ist doch Samstag.«
    LaPointe stützt den Ellenbogen auf den Tisch und seine Stirn in die Hand: »Das stimmt. Sehen Sie – Ihr Studium war doch zu was nutze. Sie kennen die Wochentage. Nach dem Freitag kommt der Samstag. Da fällt mir ein, morgen ist ja Sonntag.«
    »Was?«
    »Wie spät ist es?«
    »Ah – es ist …« Guttmann hält seine Armbanduhr gegen das Licht. »Himmel, es ist fast zwei!«
    »Noch einen Kaffee?«
    »Nein, Sir. Nach einem Tag mit Ihnen glaube ich kaum, daß ich je im Leben noch mal Lust auf einen Kaffee habe.«
    Guttmann sieht zu dem reglosen Chinesen hinüber. »Macht der nie was anderes? Steht immer nur da und guckt unergründlich?«
    »Was heißt das, unergründlich?«
    »Unergründlich heißt … Schande, Sir, ich weiß nicht. Bin geistig schon weggetreten. Es heißt … äh … unfähig oder nicht in der Lage sein, etwas zu ergründen. Ich ergründe, du ergründest, er ergründet … Scheiße, ich weiß es nicht.« Er lehnt sich zurück und läßt die Augen wieder auf dem Chinesen ruhen. »Der muß sehr einsam sein.«
    LaPointe zuckt die Achseln. »Glaub' ich nicht. Darüber ist der hinaus.«
    Diese einfache Art menschlichen Verstehens überrascht Guttmann an LaPointe. Er kriegt LaPointe geistig nicht in den Griff. Wie die meisten Liberalen glaubt er, daß jeder denkende Mensch ein Liberaler sein muß. Einerseits ist LaPointe der klassische alte Praktiker, der seine Untergebenen zur Sau macht, sich über Bildung lustig macht, der Zivilisten schikaniert und tyrannisiert – der Prototyp des knallharten Bullen. Andrerseits ist er mit ehemaligen Nutten mit zerschlagenem Gesicht befreundet, ein väterlicher Wachhund, der mit den Menschen auf der Straße plaudert, die Penner kennt, sein Revier versteht … ja, es offenbar liebt. Sogar stolz darauf ist. Guttmann weiß natürlich nur zu gut, daß die Menschen weder schwarz noch weiß sind, aber er erwartet, sie grauschattiert zu sehen, nicht abwechselnd schwarz und dann wieder weiß. Lieutenant LaPointe: dein guter Nachbar und Faschist.
    »Er sollte sich mit ein paar alten Knackern zusammentun und mit ihnen Pinochle spielen«, sagt Guttmann.
    »Wer?«
    »Der alte Chinese hier.«
    »Warum gerade Pinochle?«
    »Ich weiß nicht. Weil das so alte Ärsche meistens tun, wenn sie nicht wissen, was sie mit sich anfangen sollen, ist doch so. Warum gerade Pinochle? Ich meine …« Guttmann spricht nicht weiter und schließt die Augen. Er schüttelt langsam den Kopf. »Nein, sagen Sie's nicht. Sie spielen selber Pinochle, nicht wahr, Sir?«
    »Zweimal die Woche.«
    Guttmann schlägt sich mit der Handkante an die Stirn. »Das hätt' ich wissen sollen! Sehen Sie, Sir, ich wußte es, das Schicksal hat nicht viel mit uns im Sinn.«
    »Geben Sie nicht dem Schicksal die Schuld, sondern lieber Ihrer großen Schnauze.«
    »Jawohl, Sir.«
    »Was haben Sie gegen Pinochle?«
    »Ob Sie's glauben oder nicht: Ich habe gar nichts gegen Pinochle. Mein Großvater hat mit seinen alten Kumpels manchmal bis in die Nacht hinein Pinochle gespielt.«
    »Ihr Großvater?«
    »Ja, Sir. Daran erinnere ich mich, wie er mit seinen Freunden bis in die Puppen sitzt und spielt. Und so tut, als hinge die Seligkeit davon ab, wer gewinnt und wer verliert. Darum verbinde ich wohl

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