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Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit

Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit

Titel: Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevanian
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Einkaufen zurück.
    Die ausgekühlte Wohnung strahlt mehr Kälte aus als der Wind. Sofort zündet er die Gasheizung an und setzt Wasser auf, damit sie, wenn sie zurückkommt, eine schöne heiße Tasse Kaffee vorfindet.
    Das Wasser kocht bereits, und sie ist noch immer nicht zurück. Er gießt es aus, läßt neues rein und setzt den Kessel wieder auf die Gasflamme – als sei das Wasseraufsetzen eine magische Beschwörungsformel, sie an den heimischen Herd zu zwingen.
    Es funktioniert nicht.
    Er sitzt in seinen Lehnstuhl und schaut über den einsamen Park unter dem trüben Winterhimmel hinweg. Vielleicht ist sie für immer fort. Warum auch nicht? Sie ist ihm nichts schuldig. Vielleicht hat sie jemanden kennengelernt … einen jungen Mann, der tanzen kann. Das wäre das Beste, wirklich. Schließlich kann sie ja nicht bis in alle Ewigkeit mit ihm zusammenleben. Und er will es ja auch gar nicht. Eigentlich nicht. Sie würde ihm bald zum Halse raushängen. Und dann würde auch eines schönen Tages … Unwillkürlich fährt er sich mit der Hand an die Brust, wie er das automatisch immer tut, wenn er an seine Gefäßerweiterung denkt … den prall gefüllten Ballon. Er fühlt den regelmäßigen Herzschlag. Normal. Nichts dran auszusetzen. Ja, so soll es sein. Das Beste wird sein, sie sucht sich einen anderen. Es müßte gräßlich für sie sein, eines Morgens aufzuwachen, und er liegt tot neben ihr. Vielleicht schon kalt.
    Oder was wäre, wenn er beim Lieben einen Anfall kriegt?
    Gut so. So ist es genau richtig. Sie hat auf der Straße einen jungen Mann kennengelernt. Einen netten. Es ist besser so. Er brummt sich aus dem Lehnstuhl heraus und geht in die Küche, um den Kessel runterzunehmen, bevor das Wasser ausgekocht ist. Er freut sich auf eine ruhige, friedliche Nacht. Er wird sich die Schuhe ausziehen, seinen Bademantel umlegen, sich ans Fenster setzen, dem Zischen der Gasheizung lauschen und dabei zum dritten oder vierten Male einen seiner Zola-Romane lesen. Er kann diese abgegriffenen Zola-Romane immer und immer wieder lesen. Vor Jahren hat er die Kunstlederbände von einem alten Mann erstanden, der ein Antiquariat hatte, ein Handtuch von Laden, der nur aus der Überdachung eines Gäßchens zwischen zwei Gebäuden an der Main bestand. Das Geschäft ging schlecht. Der Kauf war für LaPointe die einzige Möglichkeit, dem alten Mann ein bißchen unter die Arme zu greifen, ohne ihn beschämen zu müssen.
    Jahrelang standen die Bücher ungelesen auf seiner Schlafzimmerkommode. Eines Abends, als er nichts besseres zu tun hatte, hatte er eins aufgeschlagen und es überflogen. Innerhalb eines Jahres hatte er sie alle gelesen. Erst als er sie alle durch hatte, erkannte er eine gewisse Ordnung: Die Heldinnen des einen Buchs waren die Töchter der Heldinnen des anderen und so weiter. Nun las er sie der Reihe nach. Sein Lieblingsroman ist ›L'Assommoir‹, bei dem er schon beim ersten Lesen den unaufhaltsamen Abstieg der Romanfiguren von der Hoffnung über den Alkoholismus in den Tod hatte voraussagen können. Die Bücher fühlen sich gut an und haben einen angenehmen Geruch. Es ist die ›Edition Populaire Illustrée des Œuvres Complètes de Emile Zola‹ von 1906, mit Zeichnungen der Heldinnen, wie sie ihre runden Arme flehentlich emporrecken und die Augen zum Himmel erheben über Unterschriften, deren Dialoge reichlich mit Ausrufungszeichen gespickt sind. Wenn auf den Stichen überhaupt Männer erscheinen, bleiben sie meist im Hintergrund, wo die Schatten niedersinken, und schauen mitleidlos auf die gefallenen Heldinnen. Diese Männer sind keine Individuen; sie sind Teil der Atmosphäre aus Armut, Verzweiflung und Ausbeutung, die durch vergebliche Hoffnung nur noch krasser hervortritt.
    Die Romane sind von Menschen bevölkert, die, sprächen sie Joual und wären sie von heute, auf der Main leben könnten. Es ist ihm, als müßte man die Straße kennen, müßte die Eltern all der Flittchen kennen, als sie noch junge Liebende waren, um Zola zu genießen, ja, ihn verstehen zu können.
    Ja, er wird den Bademantel anziehen und ein Weilchen lesen. Dann wird er zu Bett gehen. Er sucht ihn gerade, als er in der Ecke des Schlafzimmers Marie-Louises Einkaufstasche mit ihrem ganzen Krimskrams drin entdeckt.
    Sie wird also doch zurückkommen. Die Einkaufstasche ist ein Pfand. Er geht ins Wohnzimmer zurück und fühlt sich nicht mehr so müde. In einer halben Stunde ist sie bestimmt zurück.
    Nein, sie ist nicht zurück. Der Abend

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