Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit

Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit

Titel: Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevanian
Vom Netzwerk:
verdüstert den Himmel zu undurchdringlichem Schiefer und läßt die Einzelheiten drunten im Park ins Dunkel zurücktreten. Der Roman liegt noch immer auf seinem Schoß, aber zum Lesen ist es zu dunkel. Die Gasflammen zischen, der orange glühende Löcherkranz verleiht mit seinem unwirklichen Glimmen dem Raum das einzige Licht. Zweimal erhebt er sich, als draußen ein Wagen hält, aus seinem Lehnstuhl, um runterzuschauen. Und einmal schnellt er hoch, weil er meint, der Kessel müsse bereits glühen. Dann fällt ihm ein, daß er ihn ja schon längst vom Feuer genommen hat.
    Die sauerstoffverschlingende Gasheizung macht die Luft heiß und dick. Er weiß, er müßte sie kleiner stellen, aber er ist zu müde und fühlt sich zu bleiern, als daß er Lust hätte aufzustehen.
    Wie immer schweifen seine Wachträume zu seiner Frau … und seinen kleinen Mädchen. In ihrem Haus in Laval ist es schon spät. Lucille macht in der Küche was zu essen, in der Küche, die mit all den modernen Geräten ausgestattet ist, die er in den Schaufenstern auf der Main gesehen hat. Im Kamin brennen Holzscheite, und er beschäftigt sich mehr mit ihnen als nötig, weil es ihm Spaß macht, im Holzfeuer herumzustochern. Er geht hinauf in das Zimmer der Mädchen – sie sind nun wieder klein und wollen einfach nicht ins Bett. Als er reinkommt, springen sie auf den Betten herum, und wenn sie sich hinplumpsen lassen, verheddern sie sich in ihren weiten Schlafanzügen. Er gibt ihnen einen Gutenachtkuß und reibt seine Backe aus lauter Jux an ihren zarten Kinderwangen. Sie protestieren und zappeln und lachen. Lucille ruft rauf, es sei schon spät, und die Kinder müßten jetzt endlich schlafen. Er ruft hinunter, sie schliefen schon längst, und die Mädchen halten sich den Mund zu, um nicht loszuprusten. Er nimmt sie in die Arme und gibt ihnen einen letzten Kuß, und sie möchten noch eine Geschichte hören, und er sagt nein, und sie wollen, daß er das Licht anläßt, und er sagt nein, und sie wollen noch ein Glas Wasser, und er sagt nein und macht das Licht aus und geht aus dem Zimmer und die Treppe runter – er muß nun endlich mal die knarrende Stufe festmachen. Er kennt das Haus bis ins letzte Detail, die Lage der Räume, die Tapeten, die Bleistiftstriche am Türrahmen der Küche, die anzeigen, wie schnell die Mädchen größer werden. Nur wie das Schlafzimmer von ihm und Lucille aussieht, malt er sich nie aus. Schließlich ist Lucille tot. Nein … fort. Im Haus in Laval.
    Er erwacht mit nassem Hals und feuchtem Mund und dem unbestimmten Gefühl, daß da irgend etwas sei. Dann hört er das Geräusch eines Schlüssels im Schloß. Die Tür geht auf, von der Diele fällt das gelbe Licht der nackten Birne schräg ins Zimmer, und herein kommt Marie-Louise.
    »Mein Gott, ist das heiß hier! Was machen Sie denn in der Dunkelheit?«
    Während er aus seiner Schläfrigkeit herauskriecht, hat sie den Schalter gefunden und knipst das Licht an. Sie ist über und über bepackt mit Paketen. Sie läßt sie auf das Sofa plumpsen und hält dann die Hände über die Gasflamme. »Junge, Junge, ist das kalt heut abend. Na, was sagen Sie dazu? Köpfchen, was?« Sie dreht sich rum und zeigt einen flammend orangefarbenen, knöchellangen Wollmantel. »Ausverkauf! Na?«
    Sie geht ein paar Schritte und macht eine komische Kehrtwendung, wie sie sie bei den Mannequins im Fernsehen gesehen hat. Dabei gibt sie sich keine Mühe, ihr Hinken zu verbergen, und LaPointe kommt es vor, als sähe er sie zum erstenmal. Dies Detail war ihm ganz entfallen. »Das ist – äh – großartig«, sagt er benommen. »Sehr schön.« Er würde gerne wissen, wie spät es ist.
    Sie schlingt die Arme um sich und reibt sich kräftig die Schultern. »Junge, Junge, diese Kälte geht einem ja durch Mark und Bein. Ich hab' schon gedacht, vielleicht haben Sie 'ne Tasse Kaffee für mich.«
    »Tut mir leid«, sagt er, »daran hab' ich nicht gedacht.«
    Die Art, wie sie so daherbabbelt, ist ihm unangenehm. Sie will alles auf einmal sagen, so als hätte sie irgend etwas zu verbergen und wolle ihm keine Zeit lassen, Fragen zu stellen. Sie sagt zwar, es sei zu heiß im Zimmer, wärmt sich dann aber an der Heizung auf. Da stimmt doch was nicht.
    »Was haben Sie denn gemacht?« fragt sie leichthin.
    »Ein Nickerchen.« Er schaut auf die Kaminuhr. Halb neun. »Sind Sie die ganze Zeit einkaufen gewesen?«
    »Ja«, sagt sie und zieht dabei nach Joual-Art bekräftigend die Luft ein, was sowohl Ja wie Nein

Weitere Kostenlose Bücher