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Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit

Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit

Titel: Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trevanian
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grelle, aber kraftlose Sonnenstrahlung erinnert ihn an die winterlichen Vormittage auf der Farm seines Großvaters, deren Boden so karg und steinig war, daß die Familie witzelte: Das einzige, was dort wüchse, seien Schlaglöcher, die man in vier Teile spalten und an die Großbauern als Pfostenlöcher verkaufen könne. Zu Weihnachten kamen alle LaPointes, Tanten, Vettern und Cousinen, Schwäger und Schwägerinnen auf die Farm. Und es gab eine ganze Menge LaPointes, weil sie Katholiken und teilweise Indianer waren, und ein Indianerzelt kann man nicht abschließen. Die Kinder schliefen zu dritt und viert in einem Bett, und manchmal mußten sich die Kleineren am unteren Ende quer legen, damit noch mehr hineingingen. Claude LaPointe und seine Vettern balgten sich und knufften sich und spielten unter der Decke, und nur wenn einer vor Freude oder Schmerz aufschrie, hörte die Familie unten mit ihrem Pinochle auf und rief hinauf, daß jemand gleich den Arsch voll kriegte, wenn er nicht sofort aufhöre und schlafe! Und die Kinder hielten den Atem an und verkniffen sich das Lachen, bis sie alle auf einmal losprusteten. Einer fand es sehr komisch, durch seine Zahnlücke in die Luft zu spucken, und wenn sich die anderen unter die Decken verkrochen, furzte er.
    Am Weihnachtsmorgen durften sie in die gute Stube, die nach Moder roch, aber sehr sauber war, weil man sie stets geschlossen hielt, außer an Sonntagen oder wenn der Priester zu Besuch kam oder wenn jemand gestorben und in einem Sarg auf zwei Sägeböcken aufgebahrt war, von einem großen weißen, vom Totengräber entliehenen Seidentuch bedeckt.
    Auch zu Weihnachten stand die gute Stube offen. Die Kinder packen auf dem Boden ihre Geschenke aus. Der Tannenbaum nadelt auf einen Bogen. Eine fahle Wintersonne kommt durchs Fenster und fängt mit ihrem Strahl die schweifenden Staubkörnchen ein.
    Der Modergeruch in der guten Stube … und der schwere, Übelkeit verursachende Duft der Blumen. Und Großpapa. Großpapa …
    Immer, wenn ein zufälliges Bild oder Geräusch auf der Main in ihm eine Erinnerung an seinen Großvater wachruft, muß er sich sehr zusammennehmen, um nicht in gefährliche Erinnerungen zu verfallen. Von der ganzen Familie hatte er Großpapa am liebsten gehabt … und am meisten gebraucht. Aber ihm den letzten Abschiedskuß geben, das hat er nicht vermocht. Er hat nicht einmal weinen können.
    »… noch böse?«
    »Was?« fragt LaPointe, aus seinen Träumen auftauchend. Sie sind durch den Park durch und an dem Gatter gegenüber seiner Wohnung angelangt.
    »Ob du noch böse bist?« fragt Marie-Louise noch einmal. »Du hast kein Wort gesprochen.«
    »Nein«, lacht er. »Ich bin nicht böse. Ich denk' nur nach.«
    »Worüber?«
    »Nichts. Über meine Kindheit. Über meinen Großvater.«
    »Deinen Großvater? Tabernouche!«
    Ist das denn die Möglichkeit? Seit dem Tode seiner Mutter hat er diesen altmodischen Fluch nicht mehr gehört. »Du meinst wohl, für Großeltern bin ich schon zu alt?«
    »Jeder hat Großeltern. Aber die müssen ja schon eine Ewigkeit tot sein.«
    »Ja. Eine Ewigkeit. Weißt du was? Ich war heute früh nicht böse, mir war übel.«
    »Dir?«
    »Ja.«
    Sie denkt eine Weile darüber nach. »Komisch.«
    »Glaub' ich.«
    »He, was willst du denn jetzt machen? Wollen wir nicht wo hingehen, irgendwas unternehmen? Okay?«
    »Ich hab' eigentlich gar keine Lust, irgendwo hinzugehen.«
    »Ach! Was machst du sonntags denn so immer?«
    »Wenn ich nicht arbeite, sitze ich in der Wohnung rum. Lese. Höre Radio. Koch' mir was zum Abendbrot. Klingt wohl sehr langweilig?«
    Sie zuckt die Achseln und summt einen absteigenden Ton, der bedeutet: Ja, so etwa. Dann drückt sie heftig seinen Arm. »Ich weiß, warum du mit mir in die Wohnung willst. Hast wohl heute nacht nicht genug bekommen, wie?«
    Er runzelt die Stirn. Er wünschte, sie würde nicht wie ein Flittchen reden. Jetzt, wo sie so was gesagt hat, kann er kaum mit ihr in die Wohnung gehen, also verlassen sie den Park und bummeln durch die kleinen Straßen zwischen der Esplanade und der Main. Dieser Sonnentag nach wochenlangem schlechten Wetter hat die Alten und die Babys aus ihren Behausungen gelockt, als sei der Sommer schon gekommen. Im Winter ist es, als hätte sich die Bevölkerung auf der Main verändert: Die Alten und die ganz Jungen bleiben zu Hause. Im Sommer aber sieht man Babys in ihren Kinderwagen oder kleine Tolpatsche in Kindergeschirrchen, mit Leinen am Vortreppengeländer

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