Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit
hab' eigentlich keinen Hunger. Und du?«
»Hm! Ich könnt' ein ganzes Pferd essen! Und schau, was für 'n schöner Tag!«
Das Glitzern des Parks tut seinen Augen weh. Aber ja doch, ist das ein schöner Tag! Vielleicht, daß ein Spaziergang in der Kälte hilft.
Da Sonntag morgens nur wenige Lokale aufhaben, frühstücken sie in einem der für dieses quartier typischen variété-L'iáen, die freilich langsam vor der Invasion der großen Discount-Märkte kapitulieren. Diese Läden verkaufen alle Arten Ramsch: Süßigkeiten, Brezeln, Teddybären, Bier, Puzzlespiele, Aspirin, Zeitungen, Zigaretten, Antibabypillen, Papierdrachen – kurz, alles außer dem, was man zufällig gerade braucht. Das Schaufenster ist vollgepackt mit verstaubter, angeschmutzter Ware, die nie verkauft und nie umdekoriert wird. In diesem Durcheinander liegen wollene Strickmützen neben Sonnencreme, ohne Rücksicht darauf, daß jeweils nur der eine Artikel der Saison entspricht, bis auf das Frühjahr, wo für beide kein Bedarf ist.
Der Ladenbesitzer räumt einen Stapel Zeitungen auf den Boden, damit sie an der kurzen Theke aus gesprungenem Marmor Platz haben. In der Gegend hier gilt er als ›Type‹, und er tut alles, es zu bleiben. Obwohl es bei ihm im Winter gewöhnlich nur schalen, dicken Kaffee und alkoholfreie Getränke im Sommer gibt, kann er meist mit einem kleinen Imbiß aufwarten, sofern in dem Kühlschrank in dem kleinen Wohnraum hinter dem Laden zufällig Eier oder Käse sind. Sie möchten Eier, Toast und Kaffee. Der Besitzer macht alles auf dem Herd im Hinterzimmer zurecht, wobei er die ganze Zeit vor sich hinsingt und sich mit erhobener Stimme angeregt mit seinen Gästen auf englisch unterhält.
»Sind Sie zufrieden mit der Sonne, Lieutenant? Aber ich wette 'ne Million, das bleibt nicht so. Wenn's heute abend nicht schneit, wird's morgen so, wie's gestern war – Scheißwolken und keine Sonne.« Er steckt den Kopf durch den Vorhang, »'tschuldigung, die Dame.« Er verschwindet wieder und ruft: »He, möchten Sie die Eier als Spiegeleier – sunny side up?
Keep your sunny side up, up …
Wissen Sie noch, Lieutenant? Oh, oh! Jetzt ist eins kaputtgegangen. Oder wollen Sie lieber Rührei? Wäre sowieso besser für Sie. Eiweiß ist nicht gut für's Herz. Hab' ich irgendwo gelesen.
My heart is a hobo,
Loves to go out berry picking,
Hates to bear alarm docks ticking.
Das müssen Sie doch noch kennen, Lieutenant. Bing Crosby.«
Er kommt aus dem Hinterzimmer und balanciert vorsichtig zwei Teller, die er auf die gesprungene Theke setzt. »Bitte sehr, zweimal Rührei, 'n Guten. Jaaa, das hat Bing Crosby in einem von seinen Filmen gesungen. Ich glaube, er spielte einen Priester. Sagen Sie mal, Lieutenant, erinnern Sie sich noch an Bobby Breen?
There's a rainbow on the river …
Das war ein toller Film. Er sang das auf einem Heuwagen. Das ist bestimmt nicht leicht, auf 'nem Heuwagen zu singen. Jaa, Bobby Breen und Shirley Temple. So 'ne Filme gibt's heute gar nicht mehr. All diese Gewaltscheiße, 'tschuldigung, die Dame. He! Sie haben ja keine Gabeln. Kein Wunder, daß Sie nicht essen! Hier! Oje! Ich würd' sogar meinen Arsch vergessen, wenn er nicht angewachsen wäre, 'tschuldigung, die Dame. Hier ist Ihr Kaffee. He, haben Sie schon gelesen von dem Kerl, der da in 'ner Seitengasse von der Main erstochen worden ist? Was sagen Sie dazu? Es kommt noch so weit, daß man nicht mal mehr um den Block gehen kann, ohne von so einem Scheißkerl erstochen zu werden, 'tschuldigung, die Dame. Ist alles nicht mehr so wie früher. Stimmt's, Lieutenant? Und erst die Preise heutzutage!
The moon belongs to everyone
The best things in life are free …
Glauben Sie wohl nicht? Was kriegen Sie denn heutzutage schon umsonst? Gute Ratschläge. Krebs vielleicht. Es ist ein Wunder, wie man sich im Geschäft überhaupt halten kann. Jeder bescheißt jeden … oh, bitte vielmals um Entschuldigung, die Dame. Oje, tut mir wirklich leid.«
Als sie langsam über einen Kiesweg durch den Park gehen – ihre Hand an seinem Arm –, fragt sie: »Was hat dieser mec da eigentlich von sich gegeben?«
»Ach, nichts. Dem ist gar nicht aufgefallen, daß du nicht englisch sprichst.«
Die frische Luft hat LaPointes Kopfschmerzen weggeweht und der kleine Imbiß seinen Magen wieder in Ordnung gebracht. Die schwache Wintersonne wärmt angenehm seinen Rücken, doch wenn er in den Schatten kommt, spürt er deutlich den zehn-, fünfzehngradigen Temperatursturz. Diese
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