Ein Herzschlag danach
sehen bekam, richtete ich mich schnell auf und trat zurück.
Alex sah sogar noch besser aus, als ich ihn in Erinnerung gehabt hatte. Sein sonnengebräuntes Gesicht und die eisblauen Augen versetzten mich in Entzücken. Ich packte das Treppengeländer, um nicht gleich noch einmal umzukippen. Das wäre nun wirklich das Allerletzte.
»Schön, dich wiederzusehen, Lila«, sage Alex grinsend.
Ich lächelte entschuldigend.
»Ja, äh, gleichfalls«, stotterte ich, unfähig, einen vollständigen Satz zu bilden.
»Kriege ich keine richtige Umarmung?«, fragte er.
Ich umarmte ihn. Seine Nähe, das betörende Gemisch von vertrauten Düften brachte zahlreiche Erinnerungen zurück. Als hätte jemand einen Fernseher von stumm auf volle Lautstärke hochgedreht.
»Lange nicht gesehen«, sagte Alex, als wir in die Küche gingen. »Du siehst gut aus.«
Er schob mir einen Stuhl zurecht und ich setzte mich, während er sich, groß und schlank, gegen die Arbeitsplatte lehnte. Jack wandte sich dem Herd zu, wo etwas in einer Pfanne brutzelte.
»Na, erzähl mal«, sagte Alex. »Warum die plötzliche Flucht nach Südkalifornien? Hat London nicht genug zu bieten für einen Teenager? Oder wolltest du nur mal kurz schauen, was eine Militärbasis so an Unterhaltung zu bieten hat?«
Vielleicht hatte ihm Jack die Frage zugesteckt. Glaubte ich aber nicht. Alex hatte seinen eigenen Kopf.
»Sozusagen«, murmelte ich. Momentan hatte ich keine Lust, irgendwelche Fragen zu beantworten. Ich wollte einfach nur den Augenblick genießen. Daher war ich sogar bereit, zu überhören, dass er mich einen Teenager genannt hatte. Ich war mit den beiden Menschen zusammen, die ich am meisten auf der Welt liebte. Ich fühlte mich vollständig, perfekt. Und glücklicher, als ich seit langer Zeit gewesen war.
»Und wann kommt Sara?«, wandte sich Alex an Jack.
Na, mein Glück war von kurzer Dauer gewesen. Ich spürte, wie mein Lächeln gefror. Wer war Sara?
»Sie hat heute Dienst und kommt morgen vorbei«, antwortete Jack über die Schulter.
»Das ist aber schade. Sie freut sich so darauf, dich kennenzulernen, Lila. Du wirst sie mögen, sie ist wirklich zum Verlieben«, sagte Alex zu mir.
Das gab mir den Rest. Mein Herz stand still. Alex hatte eine Freundin und er benutzte ihren Namen und das Wort »verlieben« in einem Atemzug!
»Die Frau, die Jack zähmte«, fuhr Alex fort. »Eines muss man ihr lassen: Das ist keiner anderen Frau vor ihr gelungen.«
Ich schüttelte benommen den Kopf. Mein Herz kam stolpernd wieder in Gang. »Verstehe ich nicht. Was willst du damit sagen?« Ich drehte mich zu Jack um. »Du – du – hast eine Freundin?«
Dass sich Jack auf eine feste Beziehung einlassen würde, hätte ich für so wahrscheinlich gehalten, wie dass ich dieses Jahr eine Auszeichnung für fleißigen Schulbesuch bekommen würde. Sicher, Jack hatte seine Tändeleien, Flirts und One-Night-Stands, aber sobald es ernst wurde, ergriff er die Flucht. Hatte er sich in den letzten Jahren so grundlegend verändert?
»Korrekt, kleine Schwester. Ich habe eine Freundin«, sagte Jack.
Mir blieb der Mund offen stehen. Ich stand auf und schwang mich auf die Arbeitsplatte, sodass ich ihm ins Gesicht schauen konnte. »Ich will alles wissen!«
»Sie heißt Sara. Hol mal den Senf raus.« Er drehte sich um und trug die brutzelnde Pfanne zum Tisch.
»Sara wer? Keine Ahnung, wo du den Senf aufbewahrst. Lenk nicht vom Thema ab!«
Alex trat neben mich, streckte den Arm aus und griff in einen der Schränke über meinem Kopf. Ich musste mich ducken, um der Tür auszuweichen. Als ich mich zur Seite beugte, berührte ich seinen Arm. Mein Herzschlag beschleunigte sich wieder. Alex reichte Jack das Senfglas. In der einen Sekunde, in der ich sein Gesicht im Profil sah, brannte sich jedes winzige Detail in mein Gedächtnis ein, als wäre es Fotopapier und er die Sonne.
Er war mir so nahe, dass ich mich nur ein paar Zentimeter hätte bewegen müssen, um den Mund auf seinen Nacken drücken zu können. Heroisch widerstand ich der Versuchung, den Schatten der Bartstoppeln an seinem Kinn bis zur Halsgrube zu küssen. Sein dunkelblondes Haar war vor Kurzem geschnitten worden – eine dünne helle Linie zog sich vom Haaransatz bis zum Nacken. An den äußeren Augenwinkeln zeigten sich winzige Lachfalten. Ich spürte einen Stich der Eifersucht, dass jemand anders ihn zum Lachen brachte, sich sein Lachen anhören durfte.
Als hätte er gemerkt, dass ich ihn betrachtete, drehte sich
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